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Den stadtregionalen ÖV auf neue Beine stellen

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Um die Klimaziele zu erreichen, muss der Anteil des motorisierten Individualverkehrs – gemessen an den Personenkilometern – von 70 Prozent (2018) auf 54 Prozent (2040) sinken und daher die ÖV-Angebote entsprechend ausgebaut werden. Im Vergleich zum ländlichen Raum ist es in Stadtregionen leichter, die notwendigen Angebote in einem vertretbaren finanziellen Rahmen zu schaffen. Damit dies in Zukunft gelingen kann, braucht es jedoch ein neues Finanzierungsmodell für den stadtregionalen ÖV.

Bedeutende Mängel im bestehenden Finanzierungsmodell

Die derzeitige Steuerung und Finanzierung im stadtregionalen ÖV ist geprägt durch zum Teil unklare Zuständigkeiten, eine Vielzahl an Akteur*innen und stark verflochtene Finanzierungsbeziehungen. Insgesamt zeigen sich Transparenzdefizite sowie ein Mangel an leistungs- oder strukturbezogenen Elementen.

An der Schnittstelle zwischen innerstädtischem und regionalem Verkehr zeigen sich mehrfach Abstimmungsprobleme, an deren Verbesserung in den letzten Jahren verstärkt gearbeitet wurde. Während es im Planungsbereich schon in vielen Bundesländern Fortschritte gibt, zeigen sich auf der Finanzierungsebene weiterhin Konflikte.

Generell kann von einer Unterfinanzierung des stadtregionalen ÖV gesprochen werden. In den Städten hat dies sogar dazu geführt, dass in den letzten fünf Jahren die Investitionen sogar zurückgegangen sind, obwohl hohe Investitionsbedarfe bestehen. Das derzeitige Finanzierungssystem ist nicht geeignet, die künftigen Herausforderungen zu meistern. Dies betrifft insbesondere hohe Ausbauerfordernisse der Angebote zur Verbesserung des Modal Split und weiters die Dekarbonisierung der Fahrzeugflotten.

Finanzausgleichsverhandlungen als möglicher Anker

Um die großen Herausforderungen in den nächsten Jahren meistern zu können, bedarf es einer Weiterentwicklung der bestehenden Strukturen und Prozesse in der öffentlichen Verkehrsplanung und Verkehrspolitik. Dies betrifft einerseits Governance-Fragen, andererseits ist die Finanzierbarkeit der Aufgaben zu gewährleisten, um die Zielerreichung zu ermöglichen.

Die aktuell laufenden Verhandlungen zum Finanzausgleichsgesetz 2024 bieten die Gelegenheit, Fragen der Finanzierbarkeit des öffentlichen Verkehrs insbesondere für die kommunale Ebene aufzuwerfen und bestehende Strukturen und Prozesse zu hinterfragen. Es gilt dabei, eine rechtlich abgesicherte Finanzierung mit entsprechender Planungssicherheit auf den Weg zu bringen.

Angesichts der Dringlichkeit bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen werden daher sowohl kurzfristige Maßnahmen im derzeit verhandelten Finanzausgleichsgesetz als auch eine mittelfristige Weiterentwicklung des Finanzierungssystems des stadtregionalen ÖV empfohlen.

Weiterentwicklung in mehreren Schritten

Um den stadtregionalen ÖV weiterzuentwickeln, sollten Reformen sowohl auf Ebene der Mehr-Ebenen-Steuerung als auch bei der Finanzierung ansetzen. Betreffend Mehr-Ebenen-Governance wird empfohlen, die Gesamtsteuerung zu verbessern. Dies betrifft beispielsweise zwischen Bund, Ländern und Gemeinden abgestimmte Zielsetzungen und Steuerungs- und Koordinierungsinstrumente. Möglich wäre etwa eine Zielsteuerung ÖV bzw. ein ÖV-Finanzierungsgesetz, um die Aufgaben- und Finanzierungsebene miteinander zu verknüpfen und die Planungssicherheit für Städte zu erhöhen.

Betreffend der Mittelausstattung der Städte wird empfohlen, bestehende Lücken wahrzunehmen und Lösungen für deren Behebung zu finden. Dabei sollte insbesondere auf die Machbarkeit der gewünschten Ausbauziele sowohl in Bezug auf den laufenden Betrieb als auch betreffend Investitionen geachtet werden.

Zusätzliche Finanzierungstöpfe für den städtischen ÖV kurzfristig aufstellen

Zur Absicherung der Finanzierung des laufenden Betriebs sollte kurzfristig eine deutliche Aufstockung der Bundeszuschüsse zum laufenden Betrieb gemäß § 23 FAG 2017 erfolgen, um den Zuschussbedarf der Städte zumindest auf dem bestehenden Niveau zu halten. Der Österreichische Städtebund fordert hier auf Basis einer Studie eine Verdoppelung der Mittel.[1] Durch eine stärker objektive Verteilung auf Basis von Struktur- und Erfolgsparametern würde die horizontale Mittelzuteilung aufgabenorientierter werden.

Neben der Stärkung des laufenden Betriebs braucht es auch entsprechende Unterstützungen auf der Investitionsebene. Andernfalls ist von einem weiteren Anstieg des Investitionsrückstaus auszugehen, da die Städte die Finanzierung von Großprojekten alleine nicht stemmen können. Kurzfristig bereitgestellte Mittel wäre einerseits für die Errichtung von städtischen Busbetriebshöfen notwendig, um die Dekarbonisierung der Busflotten zu ermöglichen. Andererseits sollten planbare Mittel für den weiteren Ausbau der Kapazitäten bereitgestellt werden.

Mittelfristig stadtregionale ÖV-Finanzierung auf neue Beine stellen

Die Finanzausgleichsverhandlungen sollten auch der Startpunkt für einen Weiterentwicklungsprozess der stadtregionalen ÖV-Finanzierung sein, um eine langfristig stabile ÖV-Finanzierung zu entwickeln. Grundlage hierbei könnte ein Gesetz zur ÖPNV-Finanzierung sein, welches die bestehenden Transferströme bündelt und nach objektiven und leistungsbezogenen Maßstäben an die Länder und Städte weiterleitet. Die Finanzierung sollte dabei so ausgestaltet sein, dass sowohl der laufende Betrieb bestritten werden kann als auch Spielräume für Investitionen entstehen.

Ergänzend zu einer transparenten und leistungsbezogenen Grundfinanzierung sind Lösungen für ÖPNRV-Infrastrukturinvestitionen zu finden, um eine finanzielle Überforderung der Städte zu verhindern und die Planungssicherheit zu erhöhen. Konkret wird ein stadtregionaler ÖV-Infrastrukturinvestitionsfonds empfohlen. Die Dotierung könnte durch den Entfall von kontraproduktiven Subventionen (z.B. Pendlerpauschale, Steuerbegünstigung Diesel) oder durch die Zweckwidmung bestehender Abgaben (z.B. CO2-Abgabe) erfolgen.

Orientierung kann hierbei der Agglomerationsfonds in der Schweiz geben. Demnach ist bei der Projektbewertung ein wirkungsorientierter Ansatz zu favorisieren, welcher auf das volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Verhältnis der eingereichten Projekte abstellt.

Zur Studie

 

Quellen

Hochholdinger, N., Mitterer, K. & Yildirim-Metz, K. (2023). Finanzierung des ÖPNV in österreichischen Städten. Wien.

KCW (2023). Finanzierungsmehrbedarf ÖPNRV durch Dekarbonisierung und Mobilitätswende – Ergebnisse der Datenabfrage. Stand Januar 2023.

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