Europäische Governance und Städtepolitik | Blog

Der Europäische Verwaltungsraum – Chance für Städte und Gemeinden?

Die Europäische Kommission hat im Oktober 2023 die Mitteilung "Enhancing the European Administrative Space (ComPAct)" veröffentlicht. Sie entwickelt sich damit zu einer wichtigen Akteurin für Verwaltungs- und Strukturreformen in den EU-Mitgliedstaaten, welche sie mit drei Säulen unterstützen will:

  • Säule 1: The Public Administration Skills Agenda – Förderung der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Verwaltungen in der EU.
  • Säule 2: Capacity for Europe’s Digital Decade.
  • Säule 3: Capacity to lead the green transition.

Tatsächlich geht „ComPAct“ noch weiter: Die Themen Verwaltungs- und Strukturreformen werden in den länderspezifischen Berichten des Europäischen Semesters verstärkte Aufmerksamkeit erhalten.

Neue Standards für die öffentliche Verwaltung am Vormarsch

Einen Monat nach "ComPACT" hat das SIGMA-Programm der OECD und der Europäischen Kommission die Neuauflage der "Principles of Public Administration" veröffentlicht. Die Grundsätze sind ein umfassendes Rahmenwerk von Standards für eine moderne öffentliche Verwaltung. Sie bestehen aus sechs Themenbereichen, 32 Prinzipien und 270 Sub-Prinzipen.

Der Hauptzweck besteht darin, die Reformen der öffentlichen Verwaltung in den EU-Beitrittsländern auf dem Weg zur Mitgliedschaft in die Europäische Union zu überwachen und zu unterstützen. Im ComPAct bezieht sich die Europäische Kommission jedoch – etwas versteckt - auf die sechs Themenbereiche der „Principles of Public Administration“ und überträgt die "Prinzipien" dadurch auf die Sphäre der EU-Mitgliedsstaaten:

  • Strategische Vision und Führung, die Leistungsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit und nachhaltiges öffentliches Vertrauen gewährleistet.
  • Kohärente, vorausschauende, evidenzbasierte, partizipative, digitale und inklusive Politikgestaltung.
  • Ein unparteiischer, professioneller, leistungsorientierter, kooperativer und effektiver öffentlicher Dienst, der unter guten Arbeitsbedingungen arbeitet.
  • Hochwertige, innovative, menschenzentrierte und zugängliche öffentliche Dienstleistungen.
  • Subsidiarität, Koordinierung, Rechenschaftspflicht, Offenheit der öffentlichen Verwaltung, Integrität und Aufsicht über Verwaltungshandeln.
  • Solide und tragfähige öffentliche Finanzen, die durch integrierte und umfassende periodengerechte öffentliche Rechnungslegungssysteme untermauert werden.

Die Verwendung der "Principles of Public Administration" für die Länderberichte der Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Semesters ist ein nachvollziehbarer nächster Schritt. Auf der einen Seite ist das eine begrüßenswerte Entwicklung. Auf der anderen Seite erfordert dies mehr Aufmerksamkeit und Einbeziehung der Mitgliedstaaten und anderer einschlägiger Interessenten (z. B. Universitäten).

Multi-Level-Governance – Strukturreformen und Verwaltungsmodernisierung in Städten und Gemeinden?

Neu in den „Principles of Public Administration“ - und von besonderer Bedeutung für die lokale und regionale Ebene - sind die Standards für die "Multi-Level-Governance". Diese sind in den Prinzipien 14 (Subsidiarität) und 32 (Steuerautonomie) festgelegt.

  • Prinzip 14: Die Verantwortlichkeiten sind klar zwischen den Regierungsebenen verteilt, unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips und der lokalen Autonomie sowie der Erleichterung der zwischeninstitutionellen Koordination mit wirksamen Überwachungsmechanismen.
  • Prinzip 32: Regionale und lokale Regierungen verfügen über Ressourcen und ausreichende fiskale Autonomie zur Ausübung ihrer Kompetenzen, mit finanzieller Aufsicht zur Förderung einer verantwortungsbewussten Finanzverwaltung.

Diese Prinzipien werden in "Sub-Principles" weiter konkretisiert, die z.B. zusätzlich Folgendes erfordern: 

  • Unabhängiger Mechanismus zur Lösung von Kompetenzkonflikten zwischen Regierungsebenen,
  • Effektive Koordinationsstrukturen zwischen allen Regierungsebenen,
  • Diversifizierte Einnahmequellen und Kreditrechte,
  • Transparente und vorhersehbare Finanzausgleichsmechanismen,
  • Lokale Steuern, Gebühren und Abgaben, mit eigener Befugnis zur Festlegung der Tarife,
  • Beschränkung zweckgebundener Transfers.

Im Gegensatz zu den anderen Standards beschränken sich die Prinzipien 14 und 32 nicht nur auf Verwaltungsreformen, sondern haben erhebliche Auswirkungen auf die staatlichen Strukturen. Es stellt sich die Frage, welchen Einfluss die „Principles of Public Administration“ und „ComPAct“ in Zukunft auf die Weiterentwicklung staatlicher Strukturen sowie der lokalen und regionalen Ebene in den EU-Mitgliedstaaten haben werden.

Es ist zu erwarten, dass die Länderberichte des Europäischen Semesters künftig auch Bereiche der Multi-Level-Governance, das effektive Funktionieren staatlicher Strukturen und Fragen der lokalen und regionalen Selbstverwaltung umfassen werden. Grundsätzlich ist dies eine positive Entwicklung und bietet die Möglichkeit zum gegenseitigen Lernen und zur Erarbeitung gemeinsamer Standards. Dies erfordert jedoch mehr Aufmerksamkeit und Einbeziehung der Mitgliedstaaten sowie der Vertreter*innen von Städten, Gemeinden und Bundesländern.

Kooperationsmöglichkeiten mit der Europäischen Kommission

Kapitel 3 des "ComPAct" kündigt vier konkrete Aktivitäten für die lokale und regionale Ebene an:

  • Ausweitung des Zugangs für regionale und lokale Verwaltungen zum „Technical Support Instrument (TSI)“, das Verwaltungs- und Strukturreformen in den Mitgliedstaaten unterstützt.
  • Organisation eines jährlichen „Local Public Administration Day“ (als Teil der „European Week of Regions and Cities“ in Brüssel).
  • Bildung von Partnerschaften von Städten und Gemeinden, um die Kompetenzen zur Umsetzung von Großprojekten zu verbessern,
  • Forschung über regionale und lokale Verwaltungen.

Dies erfordert die verstärkte Aufmerksamkeit der Städte. So stehen etwa für das Technical Support Instrument (TSI) zwischen 2021 und 2027 864 Mio. Euro zur Verfügung. Es gibt bereits mehrere Projekte, die sich mit lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und Fragen der Multi-Level-Governance befassen, etwa in Bulgarien, Finnland, Rumänien und Ungarn. So stärkt beispielsweise das Projekt "Local Government Public Finance Development and Municipal Capacity Building in Hungary" die Zusammenarbeit zwischen dem Gemeindeverband (TÖOSZ) und den Ministerien für Inneres und Finanzen.

Was tun?

Die Europäische Kommission wird in Zukunft eine immer wichtigere Rolle bei Strukturreformen und der Reform der öffentlichen Verwaltung in den EU-Mitgliedstaaten spielen. Dies wird aufgrund des neuen Multi-Level-Governance-Schwerpunkts auch Städte, Gemeinden und Bundesländer betreffen. Die "ComPAct" bietet verschiedene Möglichkeiten für lokale und regionale Vertreter*innen, sich einzubringen. Erste Schritte könnten sein:

  • Sensibilisierung von Städten, Gemeinden, Ländern und Bund für die laufenden Entwicklungen,
  • Nutzung des Technical Support Instruments (TSI) für Reformprojekte,
  • Beteiligung am Local Public Administration Day,
  • Beteiligung an den kommunalrelevanten Forschungsaktivitäten der Europäischen Kommission – Initiieren eines LoGPACK Projects (Local Government Public Administration Country Knowledge), welches die lokale und regionale Governance sowie die Finanzierung in den EU-Mitgliedstaaten umfasst.
  • Initiieren von Wissenspartnerschaften mit der Europäischen Kommission.

Referenzen

European Commission (2023): Enhancing the European Administrative Space (ComPAct), COM (2023) 667, Brussels, 2023 (https://commission.europa.eu/system/files/2023-10/2023.4890%20HT0423966ENN-final.pdf).

OECD (2023): The Principles of Public Administration, OECD, Paris, 2023 (https://www.sigmaweb.org/publications/Principles-of-Public-Administrati…). 

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