Europäische Governance und Städtepolitik | Blog

Europas Gemeindefinanzen auf dem Prüfstand - 40 Länder detailliert beleuchtet

Subnationale Ausgaben in Prozent gesamtstaatlicher Ausgaben, 2020
Subnationale Ausgaben in Prozent gesamtstaatlicher Ausgaben, 2020
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Mit der Studie „Local Finances and the Green Transition“ hat der Rat der Gemeinden und Regionen Europas in Kooperation mit dem KDZ einen weiteren Meilenstein für Transparenz in den europäischen Kommunalfinanzen gesetzt. Fazit: Trotz Finanzkrise und COVID-19 Pandemie sind Europas Städte und Gemeinden mit einem blauen Auge davongekommen, nicht zuletzt durch massive öffentliche Finanzhilfen.

Mehr als zehn Jahre ist es her, dass der Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) erstmals die subnationalen Finanzen seiner 40 Mitglieder als Gesamtschau veröffentlicht hat. Zwischenzeitlich hat eine massive Finanz- und Gesundheitskrise Europa durchgebeutelt und auch Europas Städte und Gemeinden gehörig gefordert. Abgesehen davon, die Auswirkungen dieser Krisen für die Menschen bestmöglich abzu federn, galt es auch die Daseinsvorsorge vor Ort aufrechtzuerhalten und abzusichern.

Dass dies größtenteils gelungen ist, bestätigen auch die Ergebnisse der RGRE-Studie: so flossen mehr als drei Viertel der kommunalen
Ausgaben auch im Zeitraum 2010-2020 in die wichtigsten Lebensbereiche der Menschen mit durchschnittlich 22 Prozent in den Bildungsbereich, knappe 17 Prozent in allgemeine öffentliche Dienstleistungen, beinahe 15 Prozent in den Sozialschutz und knappe 10 Prozent in die Gesundheit. Weitere sieben Prozent wurden für Wohnen und etwa sechs Prozent für Umweltschutz ausgegeben.

Die Studie liefert mit länderspezifischen Besonderheiten und Beispielen wertvolle Ansätze für Österreich.

Städte und Gemeinden als wichtige Investoren

Die Studie hat aber auch die Bedeutung von Städten und Gemeinden für öffentliche  Investitionen deutlich gemacht. So finanzieren die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in Europa mehr als die Hälfte aller öffentlichen Investitionen, obwohl sie nur ein Viertel der gesamten öffentlichen Ausgaben tätigen. Allerdings gibt es hier große Unterschiede zwischen den Ländern: die Bandbreite reicht von 2,1 Prozent in Malta bis 78,3 Prozent in Belgien. Städte und Gemeinden sind aber auch Vorreiter bei grünen Investitionen: durchschnittlich 73 Prozent der kommunalen Investitionen flossen in den  Klimaschutz.

Verschuldung stabil, aber Trend

Bemerkenswert ist, dass die Verschuldung auf lokaler Ebene im Zeitraum 2010-2020 mit durchschnittlich 4,8 Prozent des BIP niedrig und stabil geblieben ist. Zum Vergleich: Die Verschuldung auf gesamtstaatlicher Ebene stieg bis Mitte des Jahrzehnts auf 67 Prozent des  BIP, und auf 81 Prozent im Jahr 2020. Letzteres dürfte aber Großteils den staatlichen COVID-19 Ausgaben und Finanzhilfen geschuldet  sein. Andererseits zeigt die Studie einen Trend zur Einschränkung der kommunalen Finanzautonomie. Mit dem Indikator „subnationale  Ausgaben als Anteil gesamtstaatlicher Ausgaben“ kann der Dezentralisierungsgrad eines Staates gemessen werden. Dieser zeigt, wieviel  der gesamten öffentlichen Ausgaben von Gemeinden und Regionen getragen wird. Durchschnittlich ist der Anteil der  subnationalen Gebietskörperschaften an den gesamtstaatlichen Ausgaben zwar nur um 1,04 Prozent in den letzten zehn Jahren zurückgegangen, womit die Situation im Allgemeinen trotz Finanz- und COVID-19 Krise stabil geblieben ist. Bei Betrachtung der  einzelnen Länder zeigen sich jedoch erhebliche Unterschiede. In zwei Dritteln der Länder ist der Anteil der subnationalen  Gebietskörperschaften an den gesamtstaatlichen Ausgaben zurückgegangen mit Ungarn (-12,8 Prozent), Georgien (-7,2 Prozent),  Spanien (-6,4 Prozent) und dem Vereinigten Königreich (-5,6 Prozent) an der Spitze.

Kommunale Finanzautonomie in Österreich im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich

Bei einem durchschnittlichen Dezentralisierungsgrad von 23,9 Prozent weist Österreich mit 33,1 Prozent auf den ersten Blick einen hohen Dezentralisierungsgrad auf. Zieht man jedoch in Betracht, dass Österreich ein föderaler Staat ist und die subnationalen  Ausgaben die Bundesländer mitumfassen, zeigt sich ein anderes Bild: Vergleicht man Österreich mit den anderen föderalen Staaten  Belgien (49 Prozent), Deutschland (48,9 Prozent) und Spanien (47,3 Prozent), ergibt sich eine deutlich geringere Dezentralisierung in  Österreich. Insgesamt zeigt sich, dass die fiskale Dezentralisierung und damit die Finanzautonomie der österreichischen Städte und  Gemeinden im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich ausgeprägt ist.

Subnationale Ausgaben in Prozent gesamtstaatlicher Ausgaben, 2020
Subnationale Ausgaben in Prozent gesamtstaatlicher Ausgaben, 2020

Zusammenfassend bietet die RGRE-Studie einen kompakten Überblick und interessante Vergleichszahlen zum Status der  Dezentralisierung, der Zusammensetzung der Gemeindeausgaben, zu kommunalen Investitionen und zur Steuerautonomie der  Gemeinden in Europa. Einiges firmiert auch unter Lessons Learned für die Zukunft. Diese nicht zu berücksichtigen, wäre fahrlässig,  denn eine Entspannung der Gemeindehaushalte ist nicht in Sicht. Investitionen in Klimaschutz und Klimawandelanpassung sowie in die digitale Transformation beispielsweise haben jedenfalls hohes Potenzial, die Gemeindefinanzen langfristig auf nachhaltige Beine zu  stellen. In Österreich könnte zudem eine Stärkung der Eigenfinanzierungsmöglichkeiten der Städte und Gemeinden die  Verteilungskämpfe im Finanzausgleich entschärfen und zugleich den kommunalen Handlungsspielraum maßgeblich erweitern.

Zur Studie

Milluks Kerstin
Kerstin Milluks | Bundesministerium für Inneres (Deutschland)
Die CAF-Webinare und die Kooperation mit dem KDZ haben uns dabei sehr unterstützt, das Qualitätsnetzwerk der öffentlichen Verwaltung in Deutschland zu stärken.
Petra Holl
Amtsleiterin Petra Holl | Oberalm
Die Teilnahme an Seminaren des KDZ bedeutet für meine Mitarbeiter*innen und mich, gut vorbereitet auf die Herausforderungen der täglichen Arbeit zu sein.
Mag. Thomas Wolfsberger
Mag. Thomas Wolfsberger | Finanzdirektor der Stadt St. Pölten
Das KDZ und die Stadt St. Pölten arbeiten seit vielen Jahren bei Projekten erfolgreich zusammen. Wir setzen bei vielen Fachfragen auf die Expertise des KDZ.

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