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FAG-Faktencheck 1: Sind Länder und Gemeinden besonders von steigenden Ausgaben in der Pflege betroffen?

Abbildung 1: Entwicklung der Ausgaben Pflegegeld und Pflegedienstleistungen
Abbildung 1: Entwicklung der Ausgaben Pflegegeld und Pflegedienstleistungen
Abbildung 2: Einnahmen und Ausgaben im Pflegebereich, 2021
Abbildung 2: Einnahmen und Ausgaben im Pflegebereich, 2021
Abbildung 3: Entwicklung der wichtigsten Ausgabengrößen, 2013 bis 2021
Abbildung 3: Entwicklung der wichtigsten Ausgabengrößen, 2013 bis 2021

Während die Ausgaben für Pflegedienstleistungen, für welche primär Länder und Gemeinden aufkommen, von 2013 auf 2021 um 60 Prozent anstiegen, erhöhten sich die Ausgaben für das Pflegegeld, welche primär vom Bund getragen werden, um nur 11 Prozent. Für die nächsten Jahre wird eine Fortführung dieser Entwicklungen prognostiziert. Laut WIFO sollen die Ausgaben für Pflegedienstleistungen bis 2030 um 77 Prozent steigen, jene für Pflegegeld um nur 25 Prozent (trotz jährlicher Valorisierung). Beide Prognosewerte stammen aus 2020 und berücksichtigen noch nicht die aktuell starke Inflationsentwicklung.

Abbildung 1: Entwicklung der Ausgaben Pflegegeld und Pflegedienstleistungen
Abbildung 1: Entwicklung der Ausgaben Pflegegeld und Pflegedienstleistungen

Fakt 1.1: Bund, Länder und Gemeinden finanzieren die Pflege gemeinsam.

Die Finanzierung der Pflege (Abbildung 1) ist komplex und weist eine hohe Verflechtung zwischen den Gebietskörperschaftsebenen auf. Die Ausgaben für Pflegedienstleistungen – daher v.a. für stationäre und mobile Pflege – beliefen sich 2021 auf 2,5 Mrd. Euro und werden in einem ersten Schritt primär durch die Länder getragen. Einen nicht unwesentlichen Teil davon, nämlich 0,9 Mrd. Euro, bekommen die Länder von den Gemeinden im Rahmen von Ko-Finanzierungsverpflichtungen (Umlagen) ersetzt. 

Mit 2,7 Mrd. Euro in einem ähnlichen Größenbereich bewegen sich die Ausgaben für das Pflegegeld. Dieses wird überwiegend vom Bund finanziert, teils gibt es jedoch im Rahmen des Finanzausgleichs Ko-Finanzierungen von Ländern und Gemeinden. Mit 160 Mio. Euro eine vergleichsweise geringe Bedeutung haben die Ausgaben für die 24h-Betreuung.

Abbildung 2 zeigt auch deutliche Verflechtungen zwischen den Gebietskörperschaften. Betrachtet man die Netto-Ausgaben von insgesamt 5,7 Mrd. Euro, ergibt sich folgende Verteilung für 2021: 49,0 Prozent (bzw. 2,7 Mrd. Euro) Bund, 28,6 Prozent (bzw. 1,6 Mrd. Euro) Länder und 22,4 Prozent (bzw. 1,3 Mrd. Euro) Gemeinden. Vergleicht man dies mit der Verteilung 2017 zeigt sich eine deutliche Verschiebung zulasten der Länder und Gemeinden. So lag der Anteil des Bundes 2017 noch bei 53,5 Prozent.

Abbildung 2: Einnahmen und Ausgaben im Pflegebereich, 2021
Abbildung 2: Einnahmen und Ausgaben im Pflegebereich, 2021

Anmerkung: Ausgaben für Pflegedienstleistungen abzüglich Beiträge/Ersätze etc.
AG =Ausgaben, EN = Einnahmen, GSBG = Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, BZ = Gemeinde-Bedarfszuweisungen.

Fakt 1.2: Ausgaben der Länder und Gemeinden steigen deutlich höher als jene des Bundes

Nach Gebietskörperschaftsebenen zeigen sich unterschiedlich dynamische Entwicklungen. So stieg das Pflegegeld (daher ein Großteil der Ausgaben des Bundes) im Zeitraum 2013 bis 2021 nur um 11 Prozent. Dem gegenüber kam es bei den Pflegedienstleistungen, welche von Ländern und Gemeinden gemeinsam getragen werden, zu einer Steigerung um 60 Prozent.

Je nach Bundesland werden 35 bis 50 Prozent der Pflegedienstleistungen von den Gemeinden über die Sozialhilfeumlagen ko-finanziert. Diese zeigten einen Anstieg um 41 Prozent (umfassen aber neben der Pflege auch Ausgaben für die Sozialhilfe/Mindestsicherung, Kinder- und Jugendhilfe sowie Behindertenhilfe).

Ausgewählte Gründe für die Entwicklung der Ausgaben im Pflegebereich sind:

  • Die mangelnden jährlichen Anpassungen des Pflegegeldes an die Preisentwicklung bis zum Jahr 2020 haben dazu geführt, dass es zu einer kontinuierlichen Verschiebung der Finanzierungslast vom Bund zu den Ländern und Gemeinden gekommen ist, da ein immer größerer Anteil der Pflegeausgaben über die Sozialhilfe abgedeckt werden muss. Auch für die Zukunft wird vom WIFO prognostiziert, dass die vereinbarten Valorisierungen beim Pflegegeld mit den Ausgabenentwicklungen bei den Pflegedienstleistungen nicht mithalten können. Für Sachleistungen wird ein Anstieg gegenüber 2018 von real 37% im Jahr 2025 bzw. 77% im Jahr 2030 prognostiziert. Hier wurde die Abschaffung des Eigenregresses in der stationären Pflege bereits berücksichtigt. Dem gegenüber soll sich das Pflegegeld real bis 2025 nur um 13% bzw. bis 2030 um 25% erhöhen; dies bereits unter Berücksichtigung der jährlichen Valorisierung ab 2020.
  • Die Einführung des Pflegefonds hat nicht dazu geführt, dass die Ausgabendynamik für Länder und Gemeinden nachhaltig geringer ist. Dies ergibt sich auch, da der Pflegefonds zu rund einem Drittel von Ländern und Gemeinden selbst finanziert wird. Weiters ist er nicht an die demografische Entwicklung, sondern an das Steueraufkommen geknüpft.
  • Der seit längerem bestehende Rückgang der informellen Pflege führt zu höheren Bedarfen bei den von Ländern und Gemeinden finanzierten institutionellen Pflegedienstleistungen.
  • Durch den Entfall des Pflegeregresses entstanden langfristige Folgewirkungen: Einerseits laufende Mindereinnahmen bei Pflegedienstleistungen (Wegfall von Einnahmen aus Vermögenswerten und Entfall der Vollzahlerinnen und -zahler), andererseits eine erhöhte Nachfrage und eine steigender Investitionsbedarf. Dieser Mehraufwand wurde vom Bund jedoch nur teilweise abgegolten. Bei der Ausgabenentwicklung der Pflegedienstleistungen zeigt sich ein deutlicher Anstieg mit 2018, welcher im hohen Maße auf den Entfall des Pflegeregresses zurückgeführt werden kann (siehe auch Studie des WIFO).
Abbildung 3: Entwicklung der wichtigsten Ausgabengrößen, 2013 bis 2021
Abbildung 3: Entwicklung der wichtigsten Ausgabengrößen, 2013 bis 2021

Fakt 1.3: Die letzte Pflegereform hat das Thema einer nachhaltig gesicherten Finanzierung ausgespart.

Im Jahr 2020 erfolgte mit der Taskforce Pflege ein Reformprozess mit breiter Beteiligung verschiedenster Stakeholder. Dabei wurden verschiedene Themenfelder diskutiert. Ergebnis ist etwa ein Pilotprojekt zu Community Nursing, eine österreichweite Demenzstrategie oder Anpassungen im Berufsbild der Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz.

Im Bereich der Finanzierung wurde über die Bündelung von Finanzierungsströmen sowie eine bessere Koordinierung der Gesamtsteuerung diskutiert. Es wurden bisher jedoch keine konkreten Schritte in diese Richtung unternommen. Geplant ist weiters auch die Einführung einer Zielsteuerung Pflege, welche bisher jedoch noch keine Konkretisierung fand.

Explizit nicht Teil des Reformprozesses war eine Lösungsfindung zur Herstellung einer nachhaltigen Finanzierung des Pflegebereiches.

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