Öffentliche Finanzen und Föderalismus | Blog

FAG-Faktencheck 6: Ist die Finanzierung der kommunalen Daseinsvorsorge gesichert?

Fakt 1: Kommunale Daseinsvorsorge wird in hohem Maße durch allgemeine Steuermittel finanziert

Unter kommunaler Daseinsvorsorge kann die Grundversorgung der Einwohnerinnen und Einwohner verstanden werden. Eine eindeutige Definition gibt es dabei nicht. Im weiteren Sinn reicht sie von der Bildung über Kultur bis zur Straßen-, Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur. Ebenso sind die Freizeit- und Sportinfrastruktur mit den Freibädern, Sportplätzen und -hallen sowie den Park- und Grünanlagen hinzuzuzählen. Einen wichtigen Kern der Daseinsvorsorge bildet die Ver- und Entsorgung mit der Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung sowie Abfallbeseitigung. Angesichts der Entwicklungen am Immobilienmarkt ist auch Wohnen als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge zu benennen.

Die Daseinsvorsorge wird teils über Beiträge der Nutzerinnen und Nutzer, teils über Transfers anderer Gebietskörperschaften und teils über den allgemeinen Steuertopf finanziert. Je nach Aufgabenfeld variieren dabei die Ausgabendeckungsgrade deutlich. Der Bereich der Ver- und Entsorgung finanziert sich etwa zur Gänze aus Gebühren oder weiteren spezifischen Transfers (etwa Investitionszuschüsse).

Die meisten anderen Bereiche werden überwiegend aus allgemeinen Steuermitteln finanziert. So wird der Bildungsbereich nur zu rund einem Drittel aus Leistungsbeiträgen von den Nutzerinnen und Nutzern oder spezifischen Transfers finanziert. Hierbei handelt es sich um Entgelte zur Nutzung der Kinderbetreuungseinrichtungen oder um Kostenzuschüsse des Landes zu den Personalausgaben der Gemeinden.

Eine Sonderstellung im Bereich der Daseinsvorsorge nehmen die Aufgabenbereiche Soziales und Gesundheit ein. In den meisten Ländern erfolgt hier von den Gemeinden eine verpflichtende Ko-Finanzierung der von den Ländern erbrachten Leistungen. Insbesondere im Sozialbereich erfolgt die Leistungserbringung aber auch auf der Gemeindeebene (meist Gemeindeverbände).

Fakt 2: Ungünstige Rahmenbedingungen verringern die Finanzierbarkeit zunehmen

Es zeigen sich mehrere Aspekte, welche zusammenwirken und kontinuierlich die finanziellen Spielräume im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge einschränken.

Es zeigt sich eine starke Abhängigkeit von der Entwicklung der Steuereinnahmen. Sinken die Steuereinnahmen – etwa durch Wirtschaftskrisen oder Steuerreformen –, schlägt sich dies unmittelbar auf die Einnahmen der Gemeinden durch. Die Folge sind einerseits eine sinkende Liquidität (schwierige Finanzierbarkeit des laufenden Betriebs), andererseits ein Rückgang im Investitionsbereich. Gerade die Krisen der letzten Zeit haben dies besonders deutlich gemacht. So sind die öffentlichen Investitionen der Gemeindeebene trotz Kommunalem Investitionsprogramm von 2019 auf 2020 um 7,7 Prozent zurückgegangen. Aufgrund der Steuerreformen zeigt sich 2023 trotz hoher Inflation ein Rückgang der Ertragsanteile gegenüber 2022.

Auch bringen die Inflation und gestiegene Energiepreise die kommunale Daseinsvorsorge unter Druck. Es ist eine wichtige politische Fragestellung: Sollen die gestiegenen Kosten durch Inflation und gestiegene Energiepreise im Rahmen von Gebühren und Leistungsbeiträgen an die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben werden oder nicht? Die Gemeinden finden sich hier in einer schwierigen Situation. Eine Erhöhung beansprucht die ohnehin schon durch die Teuerungen belastete Bevölkerung zusätzlich. Erhöhen die Gemeinden nicht, kann dies die Finanzierbarkeit der kommunalen Leistungen weiter gefährden.

Zu nennen ist auch ein Trend zum Rückgang der Nutzerfinanzierung. Fallen die Einnahmen durch die Nutzerinnen und Nutzer weg, muss ein steigender Anteil durch den allgemeinen Steuertopf finanziert werden. Beispiele hierfür sind etwa der Gratis-Kindergarten, der Wegfall des Pflegeregresses oder das Klimaticket.

Durch die hohe Umlagendynamik kommt es zu einer Ausgabenkonkurrenz zwischen der kommunalen Daseinsvorsorge und der Ko-Finanzierungsverpflichtung für Soziales und Gesundheit. Müssen mehr Mittel an die Länder für Soziales und Gesundheit gezahlt werden, bleibt weniger Geld für die Daseinsvorsorge. Bereits 53 Prozent der Ertragsanteile der Gemeinden gehen über diesen Weg direkt an die Länder gehen und stehen damit nicht für die kommunale Daseinsvorsorge zur Verfügung.

Auch die kommunale Abgabenautonomie ist zunehmend unter Druck. Durch die fehlende Grundsteuerreform wird die Bedeutung dieser Abgabe von Jahr zu Jahr geringer. So erhöhte sich das Grundsteueraufkommen von 2012 bis 2021 um nur 22 Prozent, das ist deutlich weniger als die Ertragsanteile mit 32 Prozent oder das BIP mit 27 Prozent. Damit sinkt der Anteil der Grundsteuer an den gesamten Einnahmen der Gemeinden von Jahr zu Jahr, womit eine weitere Finanzierungsquelle für die kommunale Daseinsvorsorge kontinuierlich versiegt.

Ein wichtiger Aspekt sind auch die gestiegenen Ansprüche und Aufgabenübertragungen. So bestehen zahlreiche gesetzliche Vorgaben zur Leistungserbringung von Seiten des Bundes und der Länder, während die Sicherstellung der Finanzierung dieser Aufgaben oftmals nur unzureichend erfolgt. Zu nennen sind beispielhaft der quantitative und qualitative Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen oder die Investitionsverpflichtungen im städtischen ÖV.

Fakt 3: Auch in Zukunft ist mit steigenden Anforderungen zu rechnen.

Bereits in der Vergangenheit haben sich aufgrund der Ausbauoffensiven dynamische Ausgabenentwicklungen in den Bereichen Kinderbetreuung und Ganztagsschulen gezeigt. Diese Entwicklung wird auch in den nächsten Jahren fortgeführt. Neben dem quantitativen Ausbauprogramm des Bundes finden sich auch in vielen Bundesländern Reformen zu mehr Qualität in der Kinderbetreuung (kleinere Gruppengrößen etc.). Bereits bisher hat sich gezeigt, dass die Zuschüsse von Bund und Ländern mit den gestiegenen Ausgaben der Gemeinden nicht mithalten können. Die bereits oben genannten sehr dynamisch steigenden Umlagen für Soziales und Gesundheit werden die Problematik noch weiter verstärken.

Hinzu kommen künftig hohe Investitionsbedarfe in Klimaschutz und Klimawandelanpassung – insbesondere in den Bereichen öffentlicher Verkehr und Steigerung der Energieeffizienz (thermische Sanierung, Umstellung Heizsysteme). Hier bedarf es einer entsprechenden Klima-Governance, daher einer guten Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden. Andernfalls ist davon auszugehen, dass die Gemeinden ihren Beitrag zum Klimaschutz aus finanziellen Gründen nicht leisten werden können.

Kritisch ist jedenfalls die Entwicklung der Gemeindefinanzen zu sehen. Gemäß KDZ-Gemeindefinanzprognose vom Dezember 2022 ist von einer wenig hoffnungsvollen Entwicklung auszugehen. So ist nicht davon auszugehen, dass die finanzielle Situation in den nächsten Jahren an die Vorkrisenjahre anschließen wird können.

Milluks Kerstin
Kerstin Milluks | Bundesministerium für Inneres (Deutschland)
Die CAF-Webinare und die Kooperation mit dem KDZ haben uns dabei sehr unterstützt, das Qualitätsnetzwerk der öffentlichen Verwaltung in Deutschland zu stärken.
Petra Holl
Amtsleiterin Petra Holl | Oberalm
Die Teilnahme an Seminaren des KDZ bedeutet für meine Mitarbeiter*innen und mich, gut vorbereitet auf die Herausforderungen der täglichen Arbeit zu sein.
Mag. Thomas Wolfsberger
Mag. Thomas Wolfsberger | Finanzdirektor der Stadt St. Pölten
Das KDZ und die Stadt St. Pölten arbeiten seit vielen Jahren bei Projekten erfolgreich zusammen. Wir setzen bei vielen Fachfragen auf die Expertise des KDZ.

Leistungen

Public Management & Consulting Icon

Public Management Consulting

Unsere Schwerpunkte

  • Finanzmanagement und VRV 2015
  • Organisations- und Verwaltungsentwicklung
  • Steuerungs- und Managementsysteme
  • BürgerInnen- und KundInnenservice
  • Strategie- und Innovationsentwicklung
Europäische Governance und Städtepolitik Icon

Europäische Governance und Städtepolitik

Unsere Schwerpunkte

  • Internationaler Know How Exchange und Capacity Building
  • Städtepolitik in Europa
  • CAF-Zentrum und Verwaltungsreform
  • Offene Daten
  • Wissensmanagement und Vernetzung