Die scheinbar unattraktiven Arbeitsbedingungen in Kinderbetreuungseinrichtungen beleuchtete nicht zuletzt ein Beitrag in ORF-Thema am vergangenen Montag, den 13. Mai 2024 (https://on.orf.at/video/14226012/15637478/paedagoginnen-am-limit-personalmangel-im-kindergarten). Die Pädagoginnen werden in dieser Dokumentation nahezu einhellig mit gleichlautender Meinung zitiert: Die Arbeit mit den Kindern ist sinnvoll, erfüllend und ein guter Beitrag zur Gestaltung der Zukunft unserer Gesellschaft. Aber: Die Arbeitsbedingungen sind angesichts der zunehmenden Belastungen und des zunehmenden Personalmangels alles andere als optimal. Es wirkt scheinbar wie eine Spiralentwicklung aus mangelhaften Arbeitsbedingungen und zunehmendem Personalmangel. Die Anmoderation des Beitrags deutet es an, diese Erfahrungen machen nicht nur die im Beitrag gezeigten Pädagoginnen in Eisenstadt.
Kindergärten und Wirtschaftshöfe gestalten Zukunft
Instinktiv regt sich beim Autor dieses Textes während des Fernsehabends der Gedanke, warum noch niemand mit einer kreativen New-Work-Strategie sich der Herausforderung gestellt hat, das Arbeitsfeld der Kleinkind- und Vorschulpädagogik zu attraktiveren. Natürlich, bunte Werbemaßnahmen allein helfen nicht gegen einen prekären Personalschlüssel. Mehr Geld und eine infolge bessere Personalausstattung allein genügen jedoch auch nicht. New Work ist aber auch mehr als die Summe aus diesen beiden Maßnahmen (Werbung für den Pädagog*innenberuf und Verbesserung des Betreuungsschlüssels). Ich wage daher folgende These: Anstatt für Mitarbeiter*innen im Kindergarten New Work einzuführen, sollten pädagogische Einrichtungen vielmehr zentrale Säulen von New Work sein!
Auch wenn die Arbeit am Wirtschafts- oder Bauhof nicht diese Medienpräsenz erfährt, so gilt diese These dort ebenso. Die Bauhofmitarbeiter*innen erfüllen basale Funktionen der Daseinsvorsorge. Was wäre eine Ortschaft ohne intakte Straßen oder ein Park mit übervollen Mistkübeln oder ein Kindergarten, bei welchem der Wasserhahn beständig tropft und nicht gerichtet wird? In kaum einer Einrichtung wird ökologische Nachhaltigkeit so greif- und unmittelbar gestaltbar, wie in kommunalen Betrieben, wie es beispielsweise Bauhöfe sind.
So unterschiedlich Kindergärten und Bauhöfe auf den ersten Blick wirken mögen, haben sie eine große Gemeinsamkeit: sie gestalten die Zukunft unmittelbar. Es bedarf daher der gesellschaftlichen Rückfrage: Was erwarten wir von Kindergärten, Bauhöfen etc.? Sollen Wirtschaftshöfe als kompetente Fachstelle für die Erhaltung und Pflege der Infrastruktur vor Ort wahrgenommen werden? Oder sind sie Befehlsempfänger für unterschiedliche Interessen? Erwarten wir von pädagogischen Einrichtungen, dass dort junge Menschen zu gestaltenden und energievollen Persönlichkeiten gebildet werden? Oder erwarten wir die Aufbewahrung ebenjener Kinder, damit deren Eltern einer Erwerbstätigkeit nachgehen können?
New Work bedeutet, eine klare Vision zu haben und Mitarbeiter*innen zu vertrauen
Neben der klaren Ziel- und Erwartungsbeschreibung der jeweiligen Einrichtung der öffentlichen Verwaltung, also eines deutlich skizzierten Zukunftsbildes – einer Vision – kann ein differenziert gestaltetes Maßnahmenbündel helfen, diese Berufe nachhaltig zu attraktiveren. Neben einer adäquaten Ausstattung mit den zur nach zeitgemäßen Standards zu leistenden Aufgabenerfüllung notwendigen Ressourcen wie Personal, Zeit und Arbeitsmittel sollten auch in diesen Berufsfeldern die Möglichkeiten der Flexibilisierung ausgeschöpft werden. Es ist selbstredend, dass beispielsweise der Winterdienst zu gewisser Zeit und bei bestimmten Wetterlagen ausrücken muss. Flexibilisierung ist in diesem Zusammenhang vor allem eine Frage der Führungskultur: Wann müssen die anfallenden und nicht höchstprioritären Aufgaben erledigt werden? Muss die Einteilung durch die Führungskraft erfolgen oder kann nicht vielmehr die eigenverantwortliche Interessensabwägung zwischen Organisations- und Individualinteressen den jeweiligen Mitarbeiter*innen zugetraut werden? Das Ziel von Flexibilisierung der Arbeit ist, dass die anfallenden Aufgaben dann erledigt werden, wenn die Mitarbeiter*innen nach Eigeneinschätzung die besten Ergebnisse erbringen können und sodass die Erledigung zeitgerecht und optimal für die Organisation, also im öffentlichen Sektor letztendlich auch für die Bürger*innen, erfolgt.
Ist es nicht letztlich eine Frage des von Verantwortlichen und Führungskräften gelebten Menschenbildes: Welches Vertrauen wird den Mitarbeiter*innen bei der Erledigung der ihnen übertragenen Aufgaben entgegengebracht? Erste Gemeinden in Deutschland bauen in einzelnen Abteilungen auf Förderung der Eigenverantwortung der Mitarbeiter*innen und lassen in diesen Abteilungen ein hohes Maß an Selbstorganisation zu (vgl. Neue Narrative #20, S. 26ff.). Das wenigstens Zulassen solcher Versuche in Richtung Soziokratie oder auch anderen Formen der Selbstorganisation zeugt von hohem Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein der beteiligten Mitarbeiter*innen. Zugleich stärkt es die Lösungskompetenzen und richtet den Blick auf Chancen und Lösungen statt auf Probleme und Hindernisse.
Gemeindeverwaltungen als Role Model für die Arbeit der Zukunft?
Weitere mögliche Maßnahmen in einem solchen Bündel bauen auf das Überwinden von „Fachsilos“ und stärken das Netzwerkdenken innerhalb der Organisation. So wie sich Gemeinden und Gemeindeverwaltungen nach Außen zunehmend zum Netzwerkpartner der Gesellschaft zu entwickeln beginnen, so sollten sie sich auch nach innen zunehmend als Netzwerk (statt als streng gegliederte Organisation, in der die Abteilungen strikt voneinander getrennt sind) verstehen, um die anstehenden Herausforderungen effektiv und effizient lösen zu können. In Gemeindeverwaltungen gibt es viele hoch spezialisierte Expert*innen (z.B. Kindergartenpädagog*innen oder Fachhhandwerker*innen), die aber auch Aufgaben in ihrer alltäglichen Arbeit erfüllen müssen, die dieser Spezialisierung nicht bedürfen. Wie können eben diese Aufgaben bei personellen Engpässen (auch kurzfristig) umverteilt werden, sodass die Expert*innen sich auf jene Tätigkeiten fokussieren können, bei denen sie als Expert*innen gefordert werden? Das kann und sollte auch Lösungen mithilfe moderner Technik umfassen.
Manche der skizzierten Maßnahmen und Möglichkeiten gelten im privaten Sektor bereits als Selbstverständlichkeit. Das regt zur Frage an, was die Hindernisse im öffentlichen Bereich sind, die diese Formen des zeitgemäßen Arbeitens verhindern? Zugleich kommt dem öffentlichen Sektor bei der gesellschaftlichen Entwicklung in Richtung New Work eben jene, oben angedeutete zentrale Bedeutung zu. Statt die Maßnahmen der Privatwirtschaft zu kopieren, braucht es daher auf den konkreten Bedarf der öffentlichen Verwaltung maßgeschneiderte Entwicklungskonzepte, die nicht nur Kosmetik sind, sondern fundamentale Weiterentwicklung in der Frage Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? bedeuten. Der öffentliche Sektor hat damit die große Chance, eine zentrale Vorbildfunktion bei der Weiterentwicklung der Vorstellung von dem, was unter zeitgemäßer Arbeit und unter New Work verstanden wird, einzunehmen.
Gestalten Sie die Arbeit der Zukunft in Ihrer Gemeinde proaktiv? Gerne unterstützen wir Sie mit dem New Work Lab des KDZ bei den ersten Schritten. Informieren Sie sich hier.