Die Erreichung der Klimaziele und die Anpassung an den Klimawandel sind zentrale Herausforderungen der nächsten Jahre. Das Zusammenspiel der Gebietskörperschaften im Föderalismus sowohl aus finanzieller Sicht als auch auf der Governance-Ebene wird dabei zentral für das Gelingen sein. Im Rahmen der Impulskonferenz 2022 wurde daher Folgendes diskutiert: Ist der Föderalismus in seiner aktuellen Ausgestaltung für die Umsetzung dieser Herausforderung geeignet? Wo zeigen sich Lücken und Optimierungsmöglichkeiten? Werden im Finanzausgleich ausreichend Mittel für diese Mammutaufgabe bereitgestellt bzw. welche Anpassungen braucht es im Finanzausgleich?
Herausforderung Klimawandel
Nina Knittel vom Wegener Center der Universität Graz wies in ihrem Beitrag auf die bereits beträchtlichen Kosten durch Nicht-Handeln in der Klimapolitik hin, welche zukünftig noch weiter steigen werden. Wetter- und klimabedingte Schäden liegen aktuell jährlich bei zumindest 2 Mrd. Euro und werden um 2050 im Bereich von zumindest rund 10 bis 12 Mrd. Euro erwartet. Für Klimawandelanpassung wird heute von öffentlicher Seite rund 1 Mrd. Euro jährlich ausgegeben, was sich bis 2050 auf mehr als 2 Mrd. Euro pro Jahr verdoppeln wird. Durch erderhitzungsbedingte Naturkatastrophen können die Kosten in einzelnen Jahren auch wesentlich höher als der Durchschnitt sein.
Werner Prutsch aus der Stadt Graz stellte ein groß angelegtes Projekt für ein Klimabudget der Stadt Graz vor. Ausgangsbasis des Projektes war die Ermittlung der produktions- und konsumbasierten Emissionen innerhalb des Grazer Stadtgebietes. 3 Prozent der Emissionen sind dabei der Stadt Graz sowie der Holding Graz direkt zuordenbar, 21 Prozent entfallen auf den Verkehr, 26 Prozent auf Gewerbe und Industrie sowie 28 Prozent auf die Haushalte. Aktuell werden in einem breit angelegten Projekt Maßnahmen bottom-up identifiziert und ökonomisch bewertet, um die Emissionen langfristig zu senken.
Hartmut Dumke von der TU Wien legte einen Schwerpunkt auf die Rolle der Energieraumplanung für den Klimaschutz im ländlichen Raum. Anhand der drei Beispiele Energiemosaik, Sachbereichskonzept Energie zum ÖEK der Steiermark und Energieraumplan Bruck an der Leitha leitete er Schlüsse für die Weiterentwicklung der Energieraumplanung ab. Er betonte, dass der Föderalismus in seiner aktuellen Ausgestaltung eindeutig geeignet sei, aber dass derzeit die Lenkungsverantwortung zu stark „nach unten“ delegiert ist. Er empfiehlt ein „Gegenstromprinzip“ ähnlich dem Schweizer Vorbild.
Damit ist klar, dass alle drei Gebietskörperschaftsebenen zusammenarbeiten müssen, um die öffentlichen Ausgaben (z.B. Investitionen) und jene des privaten Sektors klimafreundlich auszurichten. Doch geschieht das bereits ausreichend? Gemäß einer Befragung der Teilnehmer*innen der Impulskonferenz (Abbildung 1) ist die Finanzierung der Klimapolitik völlig unzureichend. Insbesondere den Gemeinden wird attestiert, hier keine ausreichenden finanziellen Spielräume zu haben.
Handlungsfelder im Bundesstaat
Dabei spielen vielfältige Handlungsfelder zusammen. Aus Sicht der Teilnehmer*innen der Impulskompetenz (Abbildung 2) sind dabei die Handlungsfelder „Steigerung der Energieeffizienz“, „Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehr“ sowie „Raumplanung“ von höchster Relevanz.
Tatjana Fischer von der BOKU Wien gab einen Überblick über die Wirkkräfte, die den Druck auf die Fläche – namentlich den Siedlungsraum und den besiedelbaren Raum (kurz: Dauersiedlungsraum) – bestimmen. Herausgegriffen wurde etwa die multilokale Lebensführung als eine Strategie der individuellen Klimawandelanpassung oder die Nutzung der nominellen Raumplanung zur Steuerung der Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke. Als Limitationen nennt sie den Konflikt zwischen kurzfristigem und langfristigem Mehrwert, den Mangel an Definitionen und Kennzahlen, die Diversität der Interessen und die eingeschränkte Bereitschaft und Möglichkeit zur Selbstbeschränkung.
Karoline Mitterer vom KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung betrachtete den Öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr aus der Multi-Level-Governance-Perspektive. Sie gab einen Überblick über aktuelle Zielsetzungen, bestehende Akteur*innen und ihre Aufgaben sowie die komplexen Finanzierungsverflechtungen. Sie empfahl für den öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr eine Klärung der Zuständigkeiten der Rollen, eine regionsübergreifende Planung und Reformen in der Finanzierung. Insbesondere die Potenziale der Städte sollten besser genutzt werden, indem die Rahmenbedingungen für diese verbessert werden.
Margit Schratzenstaller (WIFO) gab einen Überblick über den Stand der Ökologisierung der Abgaben im Föderalstaat. Dabei verwies sie auf die Notwendigkeit, die öffentlichen Finanzen stärker zu ökologisieren und dabei insbesondere auch die diesbezüglichen Potenziale auf Landes- und Gemeindeebene zu nutzen. Großes Potenzial sah sie auch im Green Budgeting und in Green Spending Reviews. Als weitere Vorgehensweise empfahl sie, den Fokus auf alle gebietskörperschaftlichen Ebenen zu erweitern und die Abstimmung zwischen den Ebenen zu verstärken, etwa durch eine ebenenübergreifende Klima-Governance. Auch vermisste sie Datengrundlagen, etwa zu klima- und umweltrelevanten Ausgaben, sowie nach Ebenen differenzierte Prognosen.
Steuerung und Finanzierung
Zentrales Ergebnis der Veranstaltung war, dass Klimaschutz und Klimawandelanpassung nur dann noch einigermaßen bewältigbar sind, wenn alle Gebietskörperschaftsebenen, aber auch alle anderen Akteur*innen (private Haushalte, Wirtschaft, Zivilgesellschaft), zusammenarbeiten.
Jürgen Schneider aus dem BMK berichtete von der Schwierigkeit, die Klimastrategie des Bundes auf die weiteren Ebenen zu übertragen und zu konkretisieren. Er führte aus, dass Österreich im Klimaschutz-Ranking (CCPI) nur auf dem 32. Platz liegt und die aktuelle Umsetzung der Klimastrategien einer Operation am offenen Herzen gleicht. Er betonte, dass es besser wäre, in die österreichische Infrastruktur zu investieren als Strafzahlungen bei Zielverfehlungen leisten zu müssen.
Bernhard Grossman vom Fiskalrat gab einen Überblick über ökonomische Steuerungsinstrumente, wobei er bei den Maßnahmen Marktmechanismen, Anreizsysteme und Koordinationsmaßnahmen identifizierte. Er betonte die Wichtigkeit von klaren Zielsetzungen sowie einer klimapolitischen Gesamtstrategie und der verbesserten Koordination zwischen den Gebietskörperschaften. Weiters empfahl er einen ausgewogenen Maßnahmen- und Anreizmix sowie Strukturreformen in gebietskörperschaftsübergreifenden Aufgabenbereichen zur Schaffung erforderlicher budgetärer Spielräume.
Sylvia Leodolter von der Arbeiterkammer Wien betonte, dass Klimaschutz und Klimawandelanpassung immer auch eine soziale Komponente hätten, sowohl hinsichtlich der Verursacher*innen der Emissionen als auch der Belastung sozialer Gruppen (insbesondere Arbeitnehmer*innen, Familien mit unterdurchschnittlichem Einkommen). Sie plädierte für gute und verbindliche Planungen sowie eine verbesserte Abstimmung im Bundesstaat insbesondere in den Bereichen Infrastrukturen für die Energie- und Mobilitätswende, Mobilitätsangebote und deren Finanzierung sowie die Daseinsvorsorge.
Judith Obermayr-Schreiber von der Industriellenvereinigung zeigte die großen Herausforderungen für die Industrie auf, etwa hinsichtlich der technischen Herausforderungen, der Finanzierung der Transformation und der Wettbewerbsfähigkeit der industriellen Produktion in Österreich und Europa. Wichtig dabei sei das Ziel der Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Dieses würde gerade angesichts der aktuellen Situation mit stark steigenden Energiepreisen eine besondere Bedeutung erhalten.
Den Klimawandel im Bundesstaat bewältigen
Bei der abschließenden Podiumsdiskussion mit Jürgen Schneider (BMK), Christian Sturmlechner (BMF), Walter Leiss (Gemeindebund), Stephan Auer-Stüger (Österreichischer Städtebund) und Nina Knittel (Wegener Center) bestand Einigkeit, dass es signifikant intensivierte Bemühungen aller Gebietskörperschaften bräuchte. Es wurde jedoch auch klar, dass nicht zu viele Hoffnungen in den Finanzausgleich gesetzt werden dürfen, sondern es verstärkter Reformen im Föderalismus sowie hinsichtlich des enormen Umsetzungsdefizites bedarf.
Dennoch war klar, dass Anpassungen im Finanzausgleich für den Klimaschutz notwendig sind (Abbildungen 3). Interessant dabei war, dass etwa die Hälfte der Teilnehmer*innen der Impulskonferenz die Ansicht vertrat, dass zusätzlich zu bestehenden Mitteln signifikante Investitionen in den Klimaschutz und die Klimawandelanpassung aufgebracht werden müssen. 40 Prozent meinten, dass grundsätzlich genug Geld vorhanden sei und dieses nur neu verteilt werden müsste.
Betreffend der notwendigen Schritte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen im Bundesstaat antworteten die Teilnehmer*innen der Impulskonferenz im Rahmen einer Wortwolke (Abbildung 4). Besonders häufig finden sich Begriffe wie Commitment und Bewusstsein, aber auch Koordination und Zusammenarbeit.
Ziel der Impulskonferenz war, verschiedene Akteur*innen des Bundesstaates zusammenzubringen und etwas Licht in die derzeit noch zu wenig geführte Debatte der Hindernisse und der Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen Zusammenarbeit in Föderalismus und Finanzausgleich im Klimaschutz zu bringen. Insbesondere die Steuerungsinstrumente und die Governance-Elemente im Bundesstaat brauchen dringend eine klimaschutzpolitische Reform.
Es ist ein Ergebnis der Impulskonferenz, dass vielfältige und ernst gemeinte Reformen in unserem Bundesstaat für den Klimaschutz dringend geboten sind: Zwei Drittel der Teilnehmer*innen der Impulskonferenz (Abbildung 5) glauben, dass der Bundesstaat nur in geringem Ausmaß klimafit ist. 27 Prozent attestierten dem Bundesstat überhaupt ein Versagen und ein damit verbundenes Hineinschlittern in die Klima-Katastrophe. Und nur 9 Prozent hatten Hoffnung, dass der Bundesstaat die Aufgabe meistern würde – mögen diese Recht behalten!
Materialien zur Nachschau der Impulskonferenz 2022
Aufzeichnung der Expert*innenbeiträge und Diskussionen, Fotos, Präsentationen, Ergebnisse der Mentimeterumfragen etc.