Mit Mitte des Jahres 2022 läuft die aktuelle Art. 15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik aus, weshalb Verhandlungen für eine Neuregelung notwendig sind. Doch was beinhaltet diese Regelung? Welche Aspekte sollten insbesondere aus kommunaler Perspektive diskutiert werden? Als Grundlage für die anstehenden Verhandlungen der Art. 15a-Vereinbarungen im Kinderbetreuungsbereich hat der Österreichische Städtebund das KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung beauftragt, einen Überblick über die Steuerung, Organisation und Finanzierung im Bereich der elementaren Bildung zu erstellen.
Die Factsheets Elementare Bildung zeigen aktuelle Problembereiche wie die Finanzierbarkeit und den Personalmangel auf. Zudem geben sie einen Überblick über Status und Entwicklung des Leistungsangebotes und greifen politisch relevante Themen heraus, wie etwa das Erreichen der Betreuungsquote oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Entwicklung der Art. 15a-Vereinbarungen
Die Art. 15a-Vereinbarungen im Bereich der elementaren Bildung haben ihren Ursprung im Jahr 2008. So gab es erstmals eine Anstoßfinanzierung des Bundes zum Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebotes. Auch die frühe sprachliche Förderung wurde bereits 2008 gestartet. 2009 folgte dann ein Transfer im Zuge des halbtägig kostenlosen und verpflichtenden Kindergartenjahrs. Seit 2018 sind diese drei Bereiche in einer einzigen Art. 15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik zusammengefasst.
Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes
Seit 2008 ist es Ziel der Art. 15a-Vereinbarung, die Kinderbetreuungsangebote auszubauen und das Barcelonaziel zu erreichen: Mind. 90 Prozent der 3-5-Jährigen und mind. 33 Prozent der unter 3-Jährigen sollen einen Kinderbetreuungsplatz haben. Während die ursprüngliche Regelung dies mit 15 Mio. Euro pro Jahr förderte, liegt die Förderung aktuell bei bis zu 54 Mio. Euro.
Insbesondere bei den 0-2-Jährigen kam es seitdem zu einem deutlichen Anstieg der Betreuungsquote, wenngleich das gesetzte Ziel noch immer nicht erreicht ist. Weiters ist auf deutliche regionale Unterschiede hinzuweisen (Betreuungsquote der 0-2-Jährigen: 18 Prozent in OÖ/Stmk bis zu 43 Prozent in Wien). Der Anteil der in VIF[1]-Einrichtungen betreuten 3-5-Jährigen in den Bundesländern exklusive Wien hat sich zwischen 2013 und 2020 beinahe verdoppelt.
Der größte Anstieg der Betreuungsquote der 3-5-Jährigen auf über 90 Prozent erfolgte im Zuge der Einführung des verpflichtenden letzten Kindergartenjahres 2009
Für die Gemeinden bedeutet dies einen starken Anstieg der Investitionsausgaben sowie steigende Zuschussbedarfe für den laufenden Betrieb. Interessant ist, dass die Höhe der Investitionsausgaben der Gemeinden im Kinderbetreuungsbereich dabei nicht mit der Höhe der bereitgestellten Bundeszuschüsse einhergeht. 2019 lagen die Investitionen der Gemeinden bei 231 Mio. Euro, während rund 50 Mio. Euro an Bundesmitteln zur Verfügung gestellt wurden. Die Bundesmittel haben 2019 daher nur 22 Prozent der Investitionsausgaben abgedeckt.
Trotz aller Bemühungen konnten die Ziele bei den unter 3-Jährigen nach wie vor nicht erreicht werden. Warum das so ist, ist jedoch nicht ausreichend bekannt. Ein wesentlicher Grund liegt aller Voraussicht nach darin, dass es sich bei den Art. 15a-Vereinbarungen um Anschubfinanzierungen handelt und die laufende Finanzierung für die Gemeinden über den Finanzausgleich nicht ausreichend gesichert ist. So zeigt sich, dass sich der laufende Zuschussbedarf der Gemeinden (inkl. Wien) seit 2007 mehr als verdoppelt hat. Von 2007 bis 2019 stieg er von 676 Mio. Euro auf 1.613 Mio. Euro (+139 Prozent) an. Diese Mittel müssen daher durch allgemeine Steuermittel gedeckt werden, welche mit ebenfalls dynamischen Ausgabensteigerungen in den Bereichen Soziales und Gesundheit konkurrieren (Abbildung 2).
Um die gesetzten Ausbauziele zu erreichen, reicht daher eine Anschubfinanzierung nicht aus. Vielmehr bedarf es auch einer gesicherten Finanzierung des laufenden Betriebes. Dies kann in einem ersten Schritt durch zusätzliche Bundesmittel über die Art. 15a-Vereinbarungen für den laufenden Betrieb erfolgen. In einem zweiten Schritt bedarf es mehr Geld für Gemeinden über den Finanzausgleich und der Umsetzung eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs.
Halbtätig kostenloses und verpflichtendes Kindergartenjahr
Um allen Kindern beste Bildungsmöglichkeiten und Startchancen in das spätere Berufsleben – unabhängig von ihrer sozioökonomischen Herkunft – zu bieten, besteht seit 2009 im letzten Jahr vor der Schulpflicht ein verpflichtender und kostenloser Besuch einer institutionellen Betreuungseinrichtung. Zur teilweisen Abdeckung des Aufwandes der Gemeinden stellt der Bund seit 2009 einen seitdem nicht valorisierten Betrag in der Höhe von 70 Mio. Euro jährlich zur Verfügung.
Das kostenlose verpflichtende Kindergartenjahr führte sowohl zu Mehrausgaben als auch zu Mindereinnahmen der Gemeinden. Mehrausgaben entstanden sowohl für den laufenden Betrieb als auch im Investitionsbereich, da zusätzliche Gruppen eingerichtet werden mussten. Gleichzeitig führte das Gratis-Angebot zu Mindereinnahmen aus Elternbeiträgen.
Die insgesamt 70 Mio. Euro sind sicherlich ein wichtiger Schritt. Bei einem Zuschussbedarf der Gemeinden von 1,6 Mrd. Euro (2019) trägt dies jedoch nur zu einem kleinen Teil zur Entlastung bei.
Frühe sprachliche Förderung
Die Förderung der frühen sprachlichen Förderung wurde erstmals 2008 in einer Art. 15a-Vereinbarung integriert und liegt aktuell bei rund 20 Mio. Euro p.a. Ziel ist es, die Zahl an Kindern mit Sprachförderbedarf zu reduzieren und damit auch eine gute Basis für die Schule zu bilden.
Zuletzt hat der Rechnungshof auf mehrere kritische Aspekte hingewiesen. So werden die Zuschüsse auf die einzelnen Länder nicht nach dem tatsächlichen Bedarf verteilt und es bestehen deutliche bundeslandweise Unterschiede in der Umsetzung. Schließlich ist auch die Verteilung der Mittel auf die einzelnen Gemeinden nicht transparent und es fehlt auch hier eine Orientierung am tatsächlichen Bedarf. Klare Verteilungskriterien und Prozesse wären hier daher wichtig, um die eigentlich gesetzten Ziele auch erreichen zu können.
Reformbedarfe in der Elementarpädagogik
Die Reformbedarfe in der Elementarpädagogik sind vielfältig, worauf etwa auch die Europäische Kommission hinweist. So empfiehlt sie für Österreich:
- zumindest 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Elementarpädagogik aufzuwenden,
- die Forschung für eine evidenzbasierte Bildungspolitik im Bereich der Elementarpädagogik zu intensivieren,
- die Evaluierung/Überwachung auszuweiten und die Umstellung auf ein System zu vollziehen, in dem die Kernbelegschaft auf Bachelor-Niveau ausgebildet ist und
- den Austausch zwischen Kinderbetreuungs-Einrichtungen und Volksschulen zu fördern, um den Übergang zu erleichtern.
Im Regierungsprogramm werden v.a. folgende Reformmaßnahmen zur Weiterentwicklung der elementaren Bildung genannt:
- Flächendeckender und bedarfsgerechter Ausbau von Kinderbetreuung (quantitativ, qualitativ, flexible Öffnungszeiten, VIF-Prozentsatz erhöhen)
- Qualitätssicherung bei Tageseltern
- Attraktivierung des Berufsfeldes Kindergartenpädagogik (z.B. Bündeln der Elementarpädagogik-Ausbildung an Pädagogischen Hochschulen)
- mittelfristig verpflichtendes 2. Kindergartenjahr
- Errichtung eines Beirates für Elementarpädagogik zur Förderung der österreichweiten Zusammenarbeit und um Vorschläge für einheitliche Qualitätsmindeststandards in der Elementarpädagogik zu erarbeiten
- Erarbeiten eines neuen, einheitlichen und verbindlichen Bildungs- und Betreuungsrahmenplans
- Wesentliche Erhöhung des Zweckzuschusses der Art. 15a-Vereinbarungen zum Ausbau der Kinderbetreuungsplätze ab 2020/2021
- Stärkung und Ausbau der institutionenübergreifenden Zusammenarbeit beim Übergang Kindergarten – Schule (Transition)
- Intensivierung der Sprachförderung in elementaren Bildungseinrichtungen
Mit Stand Ende 2021 wartet der weit überwiegende Teil der Reformvorhaben noch auf Umsetzung. Umgesetzt ist etwa seit September 2020 der Beirat für Elementarpädagogik. Dass der Ausbau der Elementarpädagogik forciert werden soll, wurde auch im nationalen Aufbau- und Resilienzplan 2021 bestätigt. Demnach soll bis 30.09.2023 eine Betreuungsquote von 33 Prozent bei den 0-2-Jährigen erreicht werden.
Für die Kommunalebene besonders relevant: Absicherung der laufenden Finanzierung und Lösungen gegen Personalmangel
Für die Städte und Gemeinden braucht es insbesondere für zwei Bereiche rasch eine Lösung. Einerseits braucht es zusätzliches Geld über die Art. 15a-Vereinbarungen oder den Finanzausgleich, um die steigende Finanzierungslast der Gemeinden im Kinderbetreuungsbereich wieder zu senken und somit die gesetzten Ziele rascher zu erreichen.
Andererseits braucht es Lösungen, um mehr Menschen für die Arbeit in der Elementarpädagogik zu begeistern und vor allem auch zu halten. Dies bedeutet etwa bessere Arbeitsbedingungen (z.B. kleinere Gruppen, günstigere Personalschlüssel, mehr Zeit für die pädagogische Arbeit, gut ausgestattete Arbeitsplätze) und Reformen im Ausbildungsbereich.
Es ist also im Bereich der Elementarpädagogik noch viel zu tun. Die jetzigen Verhandlungen zu den Art. 15a-Vereinbarungen bieten hier eine Chance, dass einige der drängendsten Probleme angegangen werden.