
Die Corona-Krise hat die ganze Gesellschaft durcheinandergewirbelt. Seit Mitte März steht die (Arbeits)Welt Kopf. Auch wir im KDZ haben von einem Tag auf den anderen die Organisation virtualisiert. (Fast) alle MitarbeiterInnen arbeiteten zuhause im Homeoffice. Über Nacht wurden Kollaborationstools, die bisher nur im experimentellen Kontext genutzt wurden, zum Rückgrat unserer Zusammenarbeit – intern, wie auch extern.
So wie uns ging es vielen anderen Organisationen auch. Unsere KooperationspartnerInnen in den Städten und Gemeinden berichten ähnliches. Wurde noch vor einigen Monaten grundsätzlich diskutiert, ob Homeoffice für eine Kommunalverwaltung überhaupt sinnvoll ist, was da alles an Problemen zu berücksichtigen wäre und welche Regelungsmechanismen es braucht und überhaupt, der Datenschutz, das Arbeitsrecht etc.
Viele haben – wie wir – aus der schlagartig veränderten Situation heraus die Ärmel hochgekrempelt und es einfach gemacht. Not macht – wie wir wissen – erfinderisch. Und weil alle gleichermaßen über Nacht Neues lernen mussten, war auch die Fehlertoleranz hoch – nicht zuletzt in den für viele neuen Videomeetings. Man tauscht Lösungen und Tricks aus, freut sich darüber, dass man den „Betrieb“ am Laufen halten kann. (… die vielleicht am häufigsten gestellte Frage der letzten Woche war: „Hörst du mich?“).
Was insbesondere in den Städten und Gemeinden und deren Verwaltungen geschafft wurde, verdient unser aller Respekt. Sie haben bis dahin nie dagewesene Herausforderungen angenommen und die Städte und Gemeinden arbeitsfähig und vor allem lebenswert gehalten. Auch wenn viele Rathäuser im Notbetrieb liefen, die Daseinsvorsorge war zu jeder Zeit gesichert (Wasser und Strom, das Internet stand immer zur Verfügung, der Müll wurde weiterhin pünktlich abgeholt) und ein offenes Ohr für die vielen sehr unterschiedlichen Sorgen der EinwohnerInnen war vor Ort gewährleistet: Wie versorge ich meine älteren Angehörigen? Wie komme ich mit meinem Laden durch den Shut-down? Wie organisiere ich die Kinderbetreuung, wenn vieles geschlossen ist? Wo können die BetreuerInnen für unsere SeniorInnen untergebracht werden, wenn sie nicht in ihre Heimat zurückreisen können?
Allen Anforderungen gerecht zu werden, ist in Krisenzeiten eine Herausforderung. Foto: Shutterstock
Krisen sind in der Regel schlechte Lehrmeister, sie zeigen aber sehr schnell Schwächen in einer Organisation, sie bieten gleichfalls – wenn man offen ist für eine selbstkritische Reflexion – vielfältige neue Chancen: Chancen für Veränderungen, Chancen zum organisationalen Lernen, Chancen zur neuen Fokussierung und strategischen Ausrichtung. Nun, wo das Licht am Ende des Tunnels schon heller leuchtet und wir die schwierigen Phasen des Schocks (Unsicherheit über die Zukunft), der Angst (persönliche und wirtschaftliche Folgen), des Frusts (wie lange noch eingesperrt sein), der Wut (warum haben …) einigermaßen überwunden haben, können wir uns mental öffnen für die Zeit nach Corona.
Wir sollten uns fragen, welche Schlüsse ziehen wir aus der Krise? Wie gut hat unser Krisenmanagement funktioniert? Was haben wir über die Resilienz unserer Organisation, die Loyalität und Flexibilität unserer MitarbeiterInnen gelernt? Welche „Kriseninnovationen“ haben sich bewährt und sollten für die Zukunft beibehalten werden? Nach und nach, wenn die Bewältigung des Krisenalltags leichter fällt, können wir einen selektiven Wandel in unseren Organisationen auf den Weg zu bringen, um das abzusichern, was sich bewährt hat; um das zu ändern, was sich in der Krise als hemmend oder dysfunktional herausgestellt hat. Selektiv deshalb, weil man eben nicht alles neu machen muss und vor allem auch nicht alles gleichzeitig. Selektiv auch, weil die dafür erforderlichen Ressourcen nach der Krise nicht mehr in dem Ausmaß vorhanden sein werden, wie bisher. Es braucht in naher Zukunft klare Prioritäten – was ist notwendig und was ist auch realistisch machbar. In so einer Situation ist es lohnend, sich auch an Beispielen anderer zu orientieren und sich inspirieren zu lassen von diesen Erfahrungen/Erfolgen.
Wir lassen in diesem Heft einige Verantwortliche aus konkreten Projekten unserer Beratungsarbeit darüber berichten, wie sie ihre Organisationen neu ausgerichtet haben, nicht ahnend, wie schnell sich zeigen muss, ob und wie diese Verwaltungsinnovationen einer harten Bewährungsprobe unterzogen werden.
Was das im Einzelnen heißen kann, be-schreibt einerseits die Stadtamtsdirektorin Carina Kreiner am Beispiel der Stadtgemeinde Fehring und andererseits Lea Eggenreich mit ihrer wissenschaftlichen Abschlussarbeit. Keiner konnte am Ende des Projekts im letzten Jahr ahnen, wie schnell sich beweisen muss, ob die in Fehring gesetzten Maßnahmen der Neuordnung der Stadtverwaltung und insbesondere der Führungsorganisation auch wirken. Aus Sicht der Stadtamtsdirektorin waren aber gerade die neue Führungsorganisation und die neue Organisationsstruktur ein wichtiger Erfolgsfaktor in der Bewältigung der Krisensituation in Fehring. Im Beitrag von Lea Eggenreich wird vor allem auf das Erfordernis einer aktiven und vorausschauenden Verwaltungs- und Personalpolitik hingewiesen.
Wer sich vor einigen Monaten noch die Frage gestellt hat, was ist eigentlich die VUCA-Welt und was hat es mit dem agilen Handeln in Verwaltungen auf sich, der war spätestens ab Mitte März 2020 plötzlich Teil eines österreichweiten (quasi weltweiten) VUCALabors.
Unübersichtliche Lage, unklare disruptive Veränderungen, keine Vorerfahrungen, auf die man zurückgreifen hätte können, und schrittweises, erprobendes Vorgehen („Fahren auf Sicht“ ist ein vielverwendetes Bild der letzten Wochen). Im Krisenmodus haben die politisch-administrativen Strukturen im Rückblick überzeugend gezeigt, dass sie im Hinblick auf Resilienz, Agilität und Lernfähigkeit viel besser sind, als manche ihnen das vielleicht zugetraut haben. Auch das Zugeben von Fehlern, die in einer solchen Situation einfach passieren können – bzw. müssen – war eine positive Erfahrung der letzten Wochen.
Auch wenn noch einiges an Krisenbewältigung vor uns liegt, gilt es jetzt den Blick nach vorne zu richten und bald schon zu bilanzieren, was wir für die Zukunft der Verwaltungen daraus lernen (wollen und können). Es kommen jedenfalls noch spannende Zeiten auf uns zu!