
Strategische Regionsbildung als eine spezielle Form einer nachhaltigen Kooperation ist ein Weg unter mehreren, wie Städte und dort ansässige Unternehmen den heutigen wirtschaftlichen Bedingungen des globalen Wettbewerbes standzuhalten versuchen. Prof. Mäding erläutert u.a. wie „Strategische Regionsbildung“, die durch das Territorium vorgeprägte Begrenztheit der einzelnen Stadt und ihrer Ressourcen überwinden helfen kann.
Die deutschen Städte und Regionen sehen sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Ob man mit PraktikerInnen spricht oder wissenschaftliche Veröffentlichungen liest – die Listen dieser Herausforderungen sind lang und unterschiedlich, aber zu ihrem harten Kern gehören überall mindestens die folgenden drei und sie stehen in Gewicht und Dringlichkeit weit oben:
Das Leitbild der Nachhaltigkeit fordert alle relevanten AkteurInnen (nicht nur die PolitikerInnen, aber die v.a.) dazu auf:
Unsere drei großen Herausforderungen lassen sich mit ihren Folgen den drei Zielfeldern der Nachhaltigkeit zuordnen: jede Ecke unseres Nachhaltigkeitsdreiecks ist mit einer dominanten externen Herausforderung konfrontiert. Dies gilt allerdings nur schwerpunktmäßig und nicht für Folgeeffekte, denn es gibt ja auch soziale Folgen der Globalisierung, ökonomische des Klimawandels.
Will man vor diesem Hintergrund mein heutiges Thema „Strategische Regionsbildung“ verorten, so ist es am engsten mit der Globalisierung und den wirtschaftlichen Zielen verknüpft. Das zentrale Bindeglied lässt sich im Wettbewerb ausmachen. Globalisierung intensiviert den Wettbewerb nicht nur zwischen Unternehmen, sondern – als abgeleiteten Wettbewerb – auch zwischen Städten und anderen Gebietskörperschaften. Strategische Regionsbildung als eine spezielle Form der Kooperation ist ein Weg unter mehreren, wie Unternehmen und Städte – meist mehr oder weniger Hand in Hand – diesem intensivierten Wettbewerb besser, erfolgreicher standzuhalten versuchen. Es ist also ein Handlungskonzept, kein analytisches Konzept, wie beispielsweise die geographische Abgrenzung von Verflechtungsbereichen oder von Arbeitsmarktregionen. Und dieses Handlungskonzept kann vom Staat angestoßen werden, basiert aber zumeist auf kommunaler Initiative.
Ich werde daher im Folgenden nacheinander die folgenden Teilfragen behandeln:
Etwa ab 1990 sammelten sich mehrere Diskussionsstränge unter dem damals neuen Schlagwort „Globalisierung“, obwohl die analysierten Prozesse teilweise schon viel früher begannen.
„Die Debatte um die Folgen der Globalisierung ist u.a. deswegen so schwierig, weil je nach Blickwinkel die Globalisierung als dramatischer und neuer oder als kontinuierlicher und alter Entwicklungsprozess erscheint.“1 (D. Henckel)
Im Kern geht es um eine räumliche Expansion der Arbeitsteilung, so dass für immer größere Anteile der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung die Entscheidungen in Beschaffung, Investition, Produktion und Absatz die nationalstaatlichen Grenzen überschreiten und transnationale, letztlich globale Verflechtungen entstehen. Dabei wächst der Welthandel schneller als das Weltsozialprodukt, wachsen die globalen Finanztransaktionen – weitgehend abgelöst von den Handelsströmen – schneller als der Welthandel. „Material-, Kapital- und Wissensströme sind räumlich immer mehr voneinander entkoppelt“.2
Die säkular sinkenden Transport- und Transaktionskosten und die neuen Möglichkeiten globaler Kommunikation, der schrittweise Abbau von Handelshemmnissen und das zunehmende Gewicht neuer Marktpartner erweitern die Optionsräume von mehr und mehr Unternehmen, im übertragenen Sinne, etwa wenn sie sich fragen: „Make or buy? Soll ich das Vorprodukt oder den Teilprozess selber machen oder einkaufen?“ Aber auch im wörtlichen geographischen Sinne, wenn sie sich fragen: „Wo in Europa, wo in der Welt ist der beste Standort für meine Produktion?“ Die Direktinvestitionen von deutschen Unternehmen im Ausland, von ausländischen Unternehmen in Deutschland wachsen, ganz zu schweigen von der wachsenden Bedeutung multinationaler Unternehmen.
Durch die geographische Expansion der Handlungsräume der Unternehmen wachsen auch die Überschneidungen der Marktgebiete, wächst die Konkurrenz. Damit wächst der Druck weiter zu rationalisieren und Optionen in Erwägung zu ziehen, die man gestern noch ausgeklammert hatte. Aus sich heraus findet dieser Prozess kein Ende.
Städte stehen heute im Wettbewerb, ob sie wollen oder nicht, weil Unternehmen im Wettbewerb stehen und weil diese sich daher bei ihren im Prinzip freien Standortentscheidungen (Verlagerung, Investition) um ein günstiges Verhältnis von Nutzen zu Kosten am jeweiligen Standort bemühen müssen. Beim Nutzen und den Kosten vergleichen die Unternehmen interregional die (weitgehend immobilen) Standortfaktoren (z.B. Lage, Flächenverfügbarkeit, Flächenpreise, Arbeitskräfteverfügbarkeit, Lohnsätze/Produktivitäten, Infrastrukturangebote, deren Tarife, Steuersätze, Fördermittel etc.). Diese Standortfaktoren steuern aber nicht nur Ansiedlungsentscheidungen und Bleibeentscheidungen von Unternehmen, diese Standortfaktoren beeinflussen auch in hohem Maße den wirtschaftlichen Erfolg aller Unternehmen vor Ort. Diese Standortfaktoren sind von den örtlichen politischen EntscheidungsträgerInnen mehr oder weniger leicht gestaltbar, Steuersätze leichter als der Bildungsstand des lokalen Arbeitskräftepotenzials. Ein letztes, vielleicht das Selbstverständlichste, kommt noch hinzu: Es ist das Interesse der politischen EntscheidungsträgerInnen an der Attraktivität des Standortes und am wirtschaftlichen Erfolg der örtlichen Unternehmen, ein Interesse, das sich auf zwei Wirkungsketten stützt:
Bei dieser Betrachtung des internationalen Städtewettbewerbs als eines abgeleiteten Wettbewerbs muss noch ein weiterer Faktor ins Spiel gebracht werden: der sektorale Strukturwandel von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft mit einer Schlüsselstellung des Produktionsfaktors Wissen, die es uns erlaubt, von einer „Wissensgesellschaft“ zu sprechen. Mit diesem Strukturwandel ändert sich nicht nur die Bedeutung einzelner Standortfaktoren, vielmehr wird die Produktion insgesamt standortunabhängiger. Am plakativen Beispiel erläutert: Für den optimalen Standort eines Stahlwerks sind Lagerstätten von Erz und Kohle und Verkehrsinfrastrukturen zentrale Einflussgrößen, ein Forschungslabor von IBM kann dagegen theoretisch überall errichtet werden, ein/e Werbetexter/in auch auf seiner Finca in Andalusien arbeiten. In der englischen Fachliteratur spricht man plastisch vom Vordringen der „footloose industries“, der Unternehmen ohne große Bodenhaftung, die überall produzieren könnten und, weil die Verlagerungskosten sinken, daher auch – wie Nomaden – leichter als andere ihre Zelte abbrechen. Die wechselseitige Verstärkung dieses Trends mit der Globalisierung liegt auf der Hand.
Für die Stadtregierungen, in Stellvertretung für die lokale Bevölkerung, ist die Attraktivität für wirtschaftliche Aktivitäten auf dem städtischen Territorium aus den dargelegten Gründen von hoher, ja höchster Wichtigkeit. Es bedarf keiner anti-kapitalistischen Verschwörungstheorien, um die herausragende und weiter wachsende Bedeutung wirtschaftlicher Wohlfahrt für städtische Politik zu erklären. Im Wettbewerb der Städte müssen alle Register gezogen werden.
Überblickt man das Spektrum der Handlungsmöglichkeiten aus der Sicht der oben angesprochenen Standortfaktoren müssen hier und heute einige wenige Bemerkungen genügen:
In der regionalökonomischen Theorie sind in den zurückliegenden Jahrzehnten verschiedene Erklärungen für den Erfolg von Regionen entwickelt worden. Fast immer spielen dabei die Konzepte „Cluster“ oder „Netzwerke“ (zwischen Unternehmen und Unternehmen, zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen) als Basis für „lernende Regionen“ und für die Verstetigung von Innovation eine zentrale Rolle.3 Als Initiator und Moderator wird nicht selten der kommunalen Wirtschaftsförderung und ihrem Cluster-Management eine wichtige Aufgabe zugewiesen.4 Auch der Staat gibt über regional ausgerichtete Wettbewerbe, wie InnoRegio, BioRegio, Media@Komm oder jetzt dem mit € 200 Mio. dotierten „Spitzencluster“-Wettbewerb des Forschungsministeriums, Impulse auf diesem Feld.
Und hier ist dann auch der systematische Ort für mein Thema, die „Strategische Regionsbildung“.5 Als eine spezifische Form der Kooperation zielt sie darauf ab, die durchs Territorium vorgeprägte Begrenztheit der einzelnen Stadt und ihrer Ressourcen zu überwinden. Es wird sogleich auch deutlich gemacht werden, dass es dabei aber nicht nur um eine allein geographisch zu beschreibende räumliche Ausweitung geht, deren AkteurInnen nach draußen anschließend mehr Ressourcen einsetzen und mehr Optionen anbieten können, sondern dass – so die bisherige Erfahrung und meine Anregung fürs lokale Handeln – auch eine Veränderung im Handlungsmodus, in der Art der Aufgabenwahrnehmung, verbunden ist.
Spätestens mit der Urbanisierung und Industrialisierung Deutschlands, beginnend im 19. Jahrhundert und mächtig fortschreitend über alle Krisen und Kriege hinweg bis etwa 1960/1970, wurde zunehmend offenkundig, dass selbst die größeren Städte als politisch-administrative, territorial abgegrenzte Gebietskörperschaften für die effektive und effiziente Bearbeitung vieler öffentlicher Aufgaben und die Lösung vieler Probleme oft räumlich zu klein geschnitten sind, dass interkommunale Aufgabenerfüllung und Problemlösung überlegen ist und dafür auch eigene regionale Trägerstrukturen geschaffen werden sollten.
In den Stadtregionen waren es vor allem zwei Typen von Aufgaben, die nach neuen überkommunalen Lösungen riefen:6
Bei diesen „traditionellen“ Regionsbildungen, die den Versuch unternehmen, administrative Strukturen der Lebenswirklichkeit der BürgerInnen anzupassen, sind Stuttgart (Verbandslösung) und Hannover (Regionalkreis) am weitesten – in verschiedenen Richtungen – vorangegangen und daher auch allgemein bekannt geworden.
Alle diese Regionalisierungen folgten primär der ökonomischen Vernunft und waren – eher reaktiv – auf die Verbesserung des inneren Funktionierens der Stadtregion gerichtet. Strategische Regionsbildung folgt eher der politischen Vernunft und agiert pro-aktiv. Der entscheidende Unterschied, den die Strategische Regionsbildung heute intendiert, ist ihre Ausrichtung nach Außen:
Dieses akquisitorische Bemühen, diese Entwicklungs- statt Ordnungsorientierung, kann auf die Anziehung oder Bindung unterschiedlicher mobiler Entwicklungspotenziale gerichtet sein:
Die Verbesserung und Inszenierung der „weichen“ Standorteigenschaften im Rahmen des Regionalmarketings für die Gewinnung von mobilen Entwicklungspotenzialen ist eine zwar nach Innen gerichtete, aber nach Außen orientierte Teilstrategie der Strategischen Regionsbildung. Ziele richten sich auf eine intakte Umwelt und dabei auch auf die Verschonung von unerwünschten öffentlichen Investitionen (z.B. Müllverbrennungsanlagen), auf ein Klima von Sicherheit und Toleranz im öffentlichen Raum, auf ein Image der Verwaltung als „wirtschaftsfreundlich“8 und/oder „kinder- und familienfreundlich“.
Dieses akquisitorische Bemühen im Wettbewerb kennen wir zwar auch von den einzelnen Städten, der entscheidende Unterschied in der Wirksamkeit liegt darin, dass die Region als ganze sich als „kooperativer Gesamtstandort“9 anbieten kann, der auch dann aus der Gesamtheit und Unterschiedlichkeit des regionalen Potenzials eine Lösung zu bieten vermag, wenn die einzelne Gemeinde „passen“ müsste, der aus seiner internen Diversität die Kraft schöpft alle anzuziehen und sich zugleich als Ort des Business und der Entspannung, als Ort der Moderne und der Tradition darstellt, quasi mit „Laptop und Lederhose“.
Die zweite große Neuerung neben der Außenorientierung liegt in den neuen Kooperationsformen zwischen privater Wirtschaft und öffentlicher Hand. Das wäre natürlich ein Vortrag für sich. In der hier gebotenen Kürze beschränke ich mich auf wenige Argumente:
Die Entscheidung für öffentlich-private Kooperation bedeutet natürlich nicht, dass hinfort alles gemeinsam gemacht wird. Die Umsetzung gemeinsamer Richtungsentscheidungen erfolgt oft separiert, entweder in öffentlicher oder in privater Verantwortung. Legitimationsprobleme, etwa zwischen der verhandelnden Verwaltung und dem ratifizierenden Rat, oder Verteilungskonflikte, etwa zwischen großen und kleinen Gemeinden, bleiben nicht aus.11
Lassen Sie mich zur Charakterisierung der Strategischen Regionsbildung neben Außenorientierung und öffentlich-privater Kooperation noch einige Bemerkungen zur Verwendung des Adjektivs „strategisch“ machen. Es zieht seinen Nimbus aus drei positiven Konnotationen, die auch hier wirksam sind:12
Meines Erachtens stehen drei interdependente Fragenkreise im Prozess der Strategischen Regionsbildung jeweils im Mittelpunkt, nämlich
Das Bild der gefundenen „Lösungen“, also der tatsächlichen Regionsbildungen, ist – auch wenn man nur Deutschland betrachtet – vielfältig, ja verwirrend. Die Lage wird dadurch erschwert, dass einzelne Regionen im Laufe der Zeit ihren „Zuschnitt“ geändert haben, dass die Unterscheidung, zwischen dem, was ist, und dem, was nach Außen vermittelt wird, nur schwer von Externen getroffen werden kann14 und, dass es in einzelnen Regionen oft eine Gemengelage von regionalen Aktivitäten mit unterschiedlicher Reichweite, Aufgabenstellung und Trägerstruktur gibt, die sich teils ergänzen, teils überschneiden, sozusagen eine Flottille, die erst als Ganzes die Region ausmacht, aber nicht von einer Entscheidungsinstanz zentral kommandiert wird. Solche regionalen Akteursnetze werden zukünftig nicht mehr nur links und rechts „mit Nachbarn“ konkurrieren (z.B. um Fördermittel, Aufmerksamkeit oder Image), sondern auch mit „Vorder- und Hintermännern“ also anderen Regionen und Netzen mit sachlich oder räumlich abweichendem Zuschnitt, aber überlappenden Aufgaben- und Gebietsdefinitionen.
Im Folgenden werde ich v.a. auf Beispiele aus den inzwischen 11 Regionen verweisen, die durch Beschlüsse der Ministerkonferenz für Raumordnung in einen Kreis der „Europäischen Metropolregionen“ aufgenommen worden sind.
Das grundlegende Dilemma bei der Bestimmung der regionalen Reichweite ist schnell beschrieben: mit wachsender Größe wächst einerseits das Gesamtpotenzial (an AkteurInnen, an Geld, an Standorten), es wächst aber zugleich der Umfang der zu berücksichtigenden Interessen und damit nehmen auch das Konfliktpotenzial und die Abstimmungsdauer zu. Letzteres ist v.a. dann von Nachteil, wenn wettbewerbliche Konstellationen ein rasches Handeln erfordern. Unterschiedliche Interessen wirken aber nicht nur verzögernd. Ihr Ausgleich im – vielleicht faulen – Kompromiss kann nach Innen zu ineffektiven Projekten, nach Außen zu verwaschenen Bildern führen, zu einem Profilverlust der den Intentionen der Regionsbildung widerspricht.
Beim Blick auf die elf Metropolregionen erscheinen einige monozentrische in ihrer Abgrenzung weitgehend unproblematisch (Beispiele Stuttgart, München), bei anderen stellt sich sehr deutlich die Frage der Erstreckung in ländliche Räume, so v.a. bei der räumlich größten Berlin-Brandenburg, die das ganze ländlich geprägte Land Brandenburg mit umfasst, aber auch bei Nürnberg. Gaben im Berliner Fall landespolitische Rücksichten auf Brandenburg den Ausschlag, so war es im Nürnberger Fall wohl eher die Sorge, die Mindesteinwohnerzahlen zu verfehlen – die man als Voraussetzung für die politische Zustimmung durch die MKRo unterstellte. Größe geht aber leicht zu Lasten der internen Handlungsfähigkeit.15 Dass auch „überregionale Partnerschaften“ funktionieren können, soll ein neues Modellprojekt der Raumordnung (MORO) belegen.16
Besondere Abgrenzungsprobleme werfen polyzentrische Neukonzeptionen auf wie der Raum Hannover-Braunschweig-Göttingen, der den Verwaltungsraum des Regionalkreises, des Nachfolgers des Verbandes Großraum Hannover, deutlich übersteigt, oder – besonders eindrücklich – die Metropolregion Sachsendreieck mit ihren fünf Großstädten Chemnitz, Dresden, Halle, Leipzig und Zwickau.
Besondere Schwierigkeiten und Abgrenzungsprobleme gibt es auch in Nordrhein-Westfalen mit der Metropolregion Rhein-Ruhr wegen der Größe der erfassten Bevölkerung (11,5 Mio. EW), wegen der Vielzahl und relativen Gleichwertigkeit der umfassten 20 kreisfreien Städte mit jeweils mehr als 100.000 EW, wegen der Unterschiedlichkeit der beiden Teilregionen Ruhrgebiet und Rheinschiene, aber auch wegen alter Rivalitäten, wie bekanntlich zwischen Köln und Düsseldorf. Hier erscheint das Konzept einer „variablen thematischen und räumlichen Geometrie“17 bei der Regionsbildung besonders nahe liegend, bei der eine Stadt wie Bonn teils gemeinsam mit ihren zwei angrenzenden Kreisen als Region Bonn, teils im Verbund Köln-Bonn, teils in der Teilregion Rheinschiene und nur in den seltensten Fällen im größten Regionszuschnitt, nämlich im Kontext der Metropolregion Rhein-Ruhr, aktiv wird. Wir haben es dann mit einer gestuften, konzentrischen Identität zu tun, die der Einzelperson ja auch nicht fremd ist, die sich als Bonner, Rheinländer, Deutscher und Europäer fühlt.
Oben sind die nach Außen gerichteten Funktionen als prägende Kennzeichen der Strategischen Regionsbildung hervorgehoben worden (Regionalmarketing, Lobbying und Wirtschaftsförderung, v.a. in Richtung Akquisition). In einzelnen Regionen werden aber auch die beiden klassischen Aufgabenfelder für regionale, d.h. überkommunale Zusammenarbeit wahrgenommen, nämlich räumliche Planung für Siedlung und Freiraum, so bei den Metropolregionen Stuttgart und Rhein-Neckar, und die Zuständigkeit für bestimmte regional wichtige Infrastruktursektoren, wie Verkehr, Energie- und Wasserversorgung, Abfallentsorgung.
Wegen ihrer Außenwirkung stellen auch die sportlichen und kulturellen Großereignisse ein Aufgabenfeld der Strategischen Regionsbildung dar, wie bei der Kulturhauptstadt Ruhr 2010 deutlich wird. Natürlich kann eine etablierte Region auch Routineaufgaben in diesem Feld wahrnehmen, doch sind sie nicht konstitutiv für Strategische Regionsbildung.
Zwischen Aufgabenbreite und regionaler Reichweite besteht ein direkter Zusammenhang: Für reine Marketingaktivitäten mögen sehr große Kooperationsräume geeignet sein – man denke etwa an die bekannten Inseratkampagnen des Kommunalverbandes Ruhrgebiet „ein starkes Stück Deutschland“ oder des Landes Baden-Württemberg „Wir können alles außer hochdeutsch“ – für detaillierte Zusammenarbeit bei Leistungen der Wirtschaftsförderung (Technologie- und Gründerzentren, gemeinsame Gewerbegebiete, Liegenschaftsfonds, Technologietransfer oder Förderung von ExistenzgründerInnen) scheinen kleinere Zuschnitte eher ziel führend zu sein.
Die grundlegende Frage ist allenthalben zugunsten der Kooperation von öffentlichen und privaten TrägerInnen entschieden. Schon vor 20 Jahren schrieb mein Vorgänger als Leiter des Deutschen Instituts für Urbanistik, Prof. Dr. Dieter Sauberzweig: „Das regionale Entwicklungspotential lässt sich nur mobilisieren, wenn öffentliche und private Akteure und Institutionen ihr spezifisches Know-how in einen Kooperationsverbund einbringen.“18 Doch in welcher Form?
Versteht man „strategisch“ in der Bedeutung von langfristig und dauerhaft, werden weder freiwillige Arrangements, wie gelegentliche Gesprächsrunden (Regionalkonferenzen, Technologierunden) oder auch aufwendige Leitbildprozesse, ausreichen, noch Berge von individuellen Verträgen. Ein organisatorischer Kern ist erforderlich. Je nach der konkreten Aufgabenstellung bieten sich in erster Linie die Rechtsformen der GmbH oder des eingetragenen Vereins für die formalisierte und dauerhafte Kooperation an. Dies ist ausdrücklich nicht als eine Ja-Nein-Entscheidung aufzufassen. In vielen Fällen treten beide Formen verzahnt nebeneinander auf.
Die organisatorischen Schemata werden schnell komplex, wenn man für die Gesamtsteuerung und die verschiedenen Einzelaufgaben jeweils passgerechte organisatorische Lösungen konzipiert. Die Organigramme solcher Kooperationen sind schon vor Jahr und Tag spöttisch mit einem Computerschaltplan verglichen worden.19
Besonders komplex muss die Trägerstruktur in Räumen ausfallen, die Ländergrenzen überschreiten. Dafür ist die Metropolregion Rhein-Neckar ein besonders gutes Beispiel. Hier bilden drei Großstädte aus zwei Bundesländern (Mannheim und Heidelberg aus Baden-Württemberg, Ludwigshafen aus Rheinland-Pfalz) zusammen mit mehreren Landkreisen, von denen einer in einem dritten Bundesland, in Hessen, liegt, einen eng verflochtenen Wirtschaftsraum. Hier hatte es schon längere Zeit einen zweistufigen Planungsverband gegeben, in dem die regionalen Planungen der Teilräume koordiniert wurden. Der neue einstufige Verband, der bis 2020 einen einheitlichen Raumordnungsplan erstellen soll, wurde 2005 durch einen Staatsvertrag als Verband Region Rhein-Neckar (VRRN) auf eine neue Grundlage gestellt. Zusammen mit den Industrie- und Handelskammern und dem Verein Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar,20 der der strategischen Steuerung und der Mobilisierung dient, wurde eine GmbH gegründet, die neben den Geschäftsstellen von Verband und IHK’s eigene Vollzugsaufgaben wahrnimmt.
Hier – wie übrigens auch am Bodensee oder am Oberrhein – ist es ein Ziel, durch Kooperation quasi aus drei Randlagen einen gemeinsamen Wachstumspol zu entwickeln. Bei aller Strukturoptimierung darf aber nicht vergessen werden, dass regelmäßig zentrale Führungspersonen als MeinungsführerInnen und PromotorInnen bei der Regionsbildung eine große Rolle spielen, diese aber neben Führungsqualitäten politische Sensibilität brauchen, um gerade die kleineren Gemeinden nicht durch ein machtpolitisch getöntes Selbstbewusstsein der Städte zu verschrecken. Besonders wichtig sind auch die „Organising Capacities“ und „Management Skills“ dieser Personen.
Neue Organisationsformen brauchen Ressourcen, um ihre Ziele zu erreichen. In der politik- und verwaltungswissenschaftlichen Literatur werden verschiedene solcher Ressourcen unterschieden, v.a.:
Meine These ist nun, dass diese Ressourcen, die die sozialwissenschaftlichen Theorien dominieren, beim Aufbau regionaler Kooperationen nicht im Mittelpunkt stehen, sondern dass es hier primär um etwas geht, was in der politikwissenschaftlichen Systemtheorie21 „Unterstützung“ (Support) genannt wird. Dies ist die freiwillige, durch Anreize gestützte, dauerhaft internalisierte Bereitschaft der einzelnen AkteurInnen, die gemeinsamen Ziele zu fördern („Teamgeist“ und „Commitment“).
Auch nach Einrichtung einer Region ist über eine kontinuierliche Beobachtung von Schwachstellen eine gelegentliche Anpassung von Reichweite, Aufgaben und Organisation erforderlich. Wichtig ist also nicht die lange Suche nach einer anfänglich richtigen Lösung der materiellen und prozeduralen Probleme, sondern die Bereitschaft, einen innovativen und fairen Prozess „gelenkter Selbstorganisation“22 zu beginnen, in den Wirtschaft und Kommunen, Hochschulen und Bürgergruppen ihre Ideen von nachhaltiger Regionalentwicklung und öffentlich-privater Kooperation einbringen können.
Ein solcher Prozess bedarf zur Steuerung eines inneren Führungszirkels engagierter Personen. Die Vorstellung, alle Ideen könnten gleiches Gewicht oder gleiche Realisierungschance haben, ist eine Illusion. Diesen kontinuierlichen Prozess der Aushandlung, Anpassung und Verbesserung nennen die WissenschafterInnen heute überwiegend „Regional Governance“. Es ist offenkundig, dass solche Entscheidungsprozesse außerhalb der traditionellen demokratischen Entscheidungsstrukturen ablaufen und Impulse füttern, sie dahin zurückzuholen. Es ist aber ebenso offenkundig, dass damit sowohl die Vorteile lateraler Kooperation mit den Unternehmen als auch die Projektorientierung und Anpassungsflexibilität der Entscheidungen leiden müsste: kein geringer Preis, denn „mit zunehmender Unsicherheit und Komplexität wird die Anpassungsfähigkeit und -geschwindigkeit als solche immer entscheidender“.23
Standortprofilierung ist also nur ein Aspekt dieser Regional Governance, ein Aspekt, der sich leicht fordern und schwer machen lässt, denn natürlich liegt das Problem im Wie und Was: Wie packen wir es prozedural an und was ist materiell unser – möglichst unverwechselbares – Profil? Dazu nur wenige Bemerkungen:
Lassen Sie mich mit einer „Legende“ schließen, für deren Wahrheitsgehalt ich mich nicht verbürge, deren Kern aber nicht unwahrscheinlich klingt.
Als ein internationaler Medienkonzern einen Standort in Deutschland suchte, besuchte er auch Hamburg und Berlin. Nach den faktenreichen Sachgesprächen – natürlich mit der Stadtspitze – zeigte der Erste Bürgermeister Hamburgs den Gästen noch ein Viertelstündchen das imposante Hamburger Rathaus, der Regierende Bürgermeister Berlins ging mit ihnen für den Abend ins Varieté Wintergarten und orderte Champagner. Dreimal dürfen Sie raten, wo sich heute der Firmensitz befindet.
Standortprofilierung kann also nicht nur durch systematische SWOT-Analysen, Leitbildprozesse und Clustermanagement erfolgen, auch Strategische Regionsbildung ist im Einzelfall meist nicht ausschlaggebend. Oft machen die Personen und ihr Verhalten – quasi als Obertöne – die Musik und auch diese sind nicht beliebig modellierbar.