
Lichtenberg ist ein Berliner Bezirk mit rund 252.000 EW im Nordosten der Stadt. Es handelt sich bei dem 52,3 km² großen Bezirk um ein mehr oder weniger künstliches Gebilde, das im Jahre 2001 durch Bezirksfusion entstanden ist. Der Bezirk verbindet Tradition und Moderne, vereint großstädtisches Leben und dörfliche Idylle. Von der Barnimer Feldmark im Norden, über die Großsiedlung Hohenschönhausen bis zur Victoriastadt am Ostkreuz und zum beschaulichen Karlshorst im Süden präsentiert sich der Bezirk grün, lebendig, kinder- und familienfreundlich.
Lichtenberg hat sich bereits im Jahre 2001 die Entwicklung zur Bürgerkommune auf die Fahne geschrieben. Bezirksamt und Bezirksverordnetenversammlung (BVV) waren sich immer einig darüber, dass nicht die „Bürgerkommune“ an sich beschlossen, sondern nur das Ziel definiert und der Weg dorthin annähernd beschrieben werden kann, die Straße aber noch gebaut werden muss. Es wird keinen festen Zeitpunkt der fertigen Umsetzung geben. Vielmehr wird es ein sich langsam entwickelnder Prozess sein, bei dem allerdings immer zu beachten ist, nicht alles neu zu erfinden. Bestehendes muss genutzt und – soweit erforderlich – den Gegebenheiten angepasst werden.
Bürgerhaushalt und Bürgerkommune sind untrennbar mit Lichtenberg verbunden.
Die „Bürgerkommune Lichtenberg“ ist definiert als ein regionales Gemeinwesen innerhalb Berlins, in dem die Menschen gern leben, weil sie
Im Rahmen der Gemeinwesenaktivitäten unter der Zielsetzung „Lichtenberg auf dem Weg zur Bürgerkommune“ sollen das bürgerschaftliche Engagement gefördert, soziale und kulturelle Angebote von öffentlicher Hand und freien Trägern vernetzt sowie das stadtteilbezogene Handeln der Verwaltung gestärkt werden.
Bezirksamt und BVV haben nach ausführlicher Diskussion vier Leitziele für den Bezirk verabschiedet. Die Leitziele sind jeweils durch Einzelziele definiert und bilden die Grundlage für die Fach- und Ressourcenplanungen sowie das Verwaltungshandeln.
Aus diesen Leitzielvorgaben ergeben sich für Politik und Verwaltung folgende Handlungsstrategien:
Der Bezirk ist in 33 Sozialräume untergliedert, die wiederum zu 13 Stadtteilen zusammengefasst sind. Das Gemeinwesenkonzept knüpft an die Stadtteile an. Die Einwohnerzahlen der Stadtteile schwanken zwischen 3.000 (Rummelsburger Bucht) und 30.000 (Fennpfuhl). Für jeden Stadtteil gibt es ein Stadtteilporträt (Beschreibung des Ist-Zustands und des besonderen Gepräges), ein Leitbild und Perspektiven sowie Entwicklungsziele für den Stadtteil, die von BewohnerInnen, Verwaltung und Politik gemeinsam erarbeitet werden.
Die Stadtteilzentren sind als Träger der Stadtteilarbeit Schnittstellen in einem über den ganzen Bezirk ausgelegten Netzwerk sozial-kulturell tätiger Strukturen. Das einzelne Stadtteilzentrum ist nicht nur ein Ort, sondern auch eine Methode der Bündelung von ideellen und materiellen Ressourcen, von Kommunikationsmöglichkeiten, Informationen und Angeboten. Sie wirken mit ihren Standorten und Räumen als regionale Netzwerke und sind Orte des Engagements, der Partizipation und Integration.
Den Stadtteilzentren kommt in der Bezirksregion eine besondere Rolle zu. Sie sind wichtige Kristallisationspunkte im Sozialraum, indem sie über unterschiedliche Zugänge vielfältiges Wissen zu Bedarfslagen, Ressourcen und Partnern im Stadtteil gewinnen, daraus Handlungsbedarfe ableiten und sinnvolle Entwicklungsprozesse in der Bezirksregion in die Wege leiten. Dies erfolgt durch das Anpassen bestehender oder Initiieren neuer Angebote in eigener Trägerschaft oder mit geeigneten Partnern.
Als Verantwortungsträger für Vernetzungsprozesse in ihrem Prognoseraum mit den dazugehörigen Bezirksregionen und als Katalysatoren für die Bedürfnisse der Anwohnerschaft sind die Stadtteilzentren zudem wichtige Partner der öffentlichen Verwaltung.
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Quelle: Bezirksamt Lichtenberg |
Das Stadtteilmanagement unterstützt, als Bestandteil der Verwaltung, die Stadtteilzentren bei der Vernetzungsarbeit im Stadtteil und bildet damit die Schnittstelle zwischen der Bezirksverwaltung und den Stadtteilen, schafft Transparenz sowie einen reibungslosen Informationsfluss in beiden Richtungen. Es transportiert Informationen zu Ressourcen, Aktivitäten und Handlungsbedarfen der Stadtteile in die Verwaltung. Umgekehrt werden relevante Informationen zu bezirklichen Interessen und Zielsetzungen sowie über Vorhaben und Planungen in die Stadtteile getragen.
Weiters berät und unterstützt das Stadtteilmanagement die Stadtteilzentren bei der Planung und Durchführung der Beteiligung der BürgerInnen an der Haushaltsplanung auf der Ebene der Stadtteile. Das Bezirksamt beschäftigt insgesamt fünf Stadtteilmanagerinnen.
Der Bürgerhaushalt hat sich seit 2005 als Verfahren zur Beteiligung der BürgerInnen an der Haushaltsplanung, -durchführung und -kontrolle im Bezirk Lichtenberg etabliert. Der Bürgerhaushalt ist Bestandteil des Regelaufgabenkatalogs der Bezirksverwaltung.
Stadtteilkonferenzen sind regelmäßig stattfindende Foren, die durch die Stadtteilzentren für jeden Stadtteil in Zusammenarbeit mit der Verwaltung, insbesondere mit dem Stadtteilmanagement, durchgeführt werden. TeilnehmerInnen von Stadtteilkonferenzen sind BürgerInnen, alle im Stadtteil ansässigen Träger und Einrichtungen, Kiezvereine und -beiräte, Mieterbeiräte, Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften, VertreterInnen der Wirtschaft u.a. Politik und Verwaltung werden nach Bedarf und auf Anforderung durch die Organisatoren der Stadtteilkonferenzen zugezogen.
Stadtteilentwicklungsziele sollen hier abgestimmt und fortgeschrieben sowie die Vernetzung von Planungen der Stadtteilarbeit und des Haushaltes sichergestellt werden.
Stadtteilkonferenzen sind ein wesentlicher Bestandteil für die Diskussionen innerhalb des Bürgerhaushaltes Lichtenberg. Sie bieten das Forum für die kontinuierliche Erarbeitung von Vorschlägen und bereiten die Vorschläge für die Votierungsveranstaltungen vor. Dazu gehört auch die Präsentation umgesetzter Vorschläge im Rahmen des Bürgerhaushaltes Lichtenberg.
Dem Bezirksamt ist bewusst, dass die Anforderungen, die sich aus der aufgezeigten Struktur an die Beteiligten ergeben, umfangreiche und zielgerichtete Fort- und Weiterbildungen erforderlich machen.
Der Bürgerhaushalt soll aufgrund der aktiven Mitwirkung der BürgerInnen an der Haushaltsplanung und Haushaltskontrolle einen effizienteren und effektiveren Einsatz der Ressourcen bewirken, insbesondere sollen die nur begrenzt verfügbaren Mittel aufgrund sorgfältiger Prioritätenabwägung und entsprechend der Bedürfnisse der BürgerInnen eingesetzt werden. Das schließt Vorschläge und Empfehlungen zu Minderausstattungen ein. Die öffentliche Auseinandersetzung über Bedarfe und Ressourcen einerseits, die Transparenz der Haushaltsentscheidungen andererseits ermöglicht einen Informationsgewinn sowohl bei den EntscheidungsträgerInnen als auch bei beteiligten BürgerInnen, eine Ressourcenbündelung durch Planungsvernetzung, einen Wirksamkeitsdialog und die kleinräumliche Steuerung des Mitteleinsatzes.
Berlin ist Stadt und Land zugleich. Die Berliner Bezirke erfüllen ihre Aufgaben nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung und nehmen regelmäßig die örtlichen Verwaltungsaufgaben wahr. Gemäß Art. 67 Abs. 2 Satz 1 VvB sind die Bezirke für alle Aufgaben der Landesverwaltung zuständig, die nicht ausdrücklich der Hauptverwaltung zugewiesen sind. Die Steuerhoheit liegt beim Land, die Bezirke dürfen keine Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen, die notwendigen Haushaltsmittel werden den Bezirken vom Land im Rahmen einer Globalsumme zugewiesen, soweit diese die Ausgaben nicht durch eigene Einnahmen (Gebühren, Beiträge, Mieten etc.) decken können. Grundsätzlich müssen alle Ausgaben aus der Zuweisung und den sonstigen Einnahmen gedeckt werden. Das Jahresabschlussergebnis wird auf das übernächste Haushaltsjahr vorgetragen. Einnahmen und Ausgaben sind titelkonkret in Bezirkshaushaltsplänen nachzuweisen, diese sind haushaltsrechtlich Teil des Berliner Haushaltsplans.
Die Bezirke buchen ihre Kosten und Mengen auf einheitlich definierte Produkte. Grundlage für die Ermittlung der Zuweisung ist der so genannte „Medianpreis“ je Produkt (durchschnittliche Stückkosten des 6. u. 7. Bezirks) multipliziert mit der jeweiligen Produktmenge.
Das Haushaltsvolumen des Bezirksamtes Lichtenberg beträgt ca. € 600 Mio., davon entfallen:
Grundlage für die Beteiligung ist der Produkthaushalt und nicht der kamerale Haushalt; der gesamte Haushalt wird verständnisorientiert (lesbar) aufbereitet, die Diskussion mit den BürgerInnen wird lebenslagen- bzw. produktbezogen geführt, nicht haushaltstechnisch.
Zur Diskussion im Rahmen des Bürgerhaushalts stehen alle Produkte (Angebote), die der Bezirk selbst nach Umfang, Kosten und Qualität steuert und beeinflusst. Leistungen, auf die einzelne BürgerInnen gegebenenfalls einen individuellen Rechtsanspruch haben, sind von der Beteiligung ausgeschlossen.
Steuerbare Angebote im Rahmen des Bürgerhaushaltes mit einem Gesamtbudget von ca. 38 Mio. € sind:
Zu Beginn des Beteiligungsprozesses für das jeweilige Haushaltsjahr erhalten 10 v.H. der nach dem Zufallsprinzip ausgewählten EinwohnerInnen je Stadtteil eine Einladung der Bezirksbürgermeisterin (insgesamt 25.000 Haushalte), sich zu beteiligen. Daneben wird über diverse Medien geworben.
BürgerInnen können sich auf drei Wegen und in unterschiedlicher Intensität einbringen:
Ziel: Vorschläge werden eingebracht, diskutiert und qualifiziert, jedoch ohne Priorisierung
Organisation: Stadtteilzentren als Träger der Stadtteilarbeit
Nach Abschluss der Diskussionen werden alle Vorschläge, die sich den vom Bezirksamt beeinflussbaren Aufgabenbereichen zuordnen lassen, zur Abstimmung (Votierung) gestellt.
In dieser Weise wurde die Beteiligung erstmalig im Jahre 2009 (für den Haushalt 2011) mit Erfolg praktiziert.
Die von den BürgerInnen im Rahmen der Votierung priorisierten 65 + 10 Vorschläge werden der BVV zugeleitet, die nach Diskussion in den Ausschüssen entscheidet, welche Vorschläge in die Haushaltsplanung aufgenommen werden sollen.
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Quelle: http://www.buergerhaushalt-lichtenberg.de |
Die Beteiligung der BürgerInnen für den Haushalt 2012 hat im April 2010 begonnen und wird im Oktober 2010 abgeschlossen.
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Quelle: Johannes Middendorf (2010) |
Die Lichtenberger BürgerInnen beteiligen sich im Jahre 2010 zum sechsten Mal in Folge an der Aufstellung des Haushaltsplans. Der Bürgerhaushalt ist als Regelaufgabe in die Geschäftsverteilungspläne der Bezirksverwaltung aufgenommen.
Die BürgerInnen unterbreiten Vorschläge für den Haushaltsplan zu einem Zeitpunkt, zu dem sich weder Politik noch Verwaltung mit der Haushaltsplanung befasst haben. Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits: Die BürgerInnen können unvoreingenommen von fachlichen und/oder politischen Prioritätensetzungen Vorschläge einbringen und diskutieren, die Politik kann entscheiden, welche Vorschläge die Verwaltung bei der Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs berücksichtigen soll. Die Haushaltsplanung wird durch die vorgeschaltete Bürgerbeteiligung aufwändiger, aber auch qualifizierter. Die Diskussionen in den politischen Gremien sind deutlich niveauvoller.
Andererseits: Vielen BürgerInnen, v.a. Kindern und Jugendlichen ist der Prozess vom Vorschlag zur sichtbaren Umsetzung (bis zu 2 Jahren) zu lang. Sie verlieren das Interesse an der Beteiligung. Um diesem Dilemma abzuhelfen, haben die BürgerInnen in den vergangenen Jahren mehrfach gefordert, einen Fonds für kurzfristig umsetzbare, kleinere Projekte einzurichten. Nach intensiver Diskussion zwischen BürgerInnen, Politik und Verwaltung wurde mit der Haushaltsplanung 2010 ein so genannter Kiezfonds in Höhe von jährlich € 65.000,- eingerichtet, aus dem je Stadtteil € 5.000,- bereitgestellt werden. Gefördert werden Vorhaben, die den Zusammenhalt im Kiez fördern, Nachbarschaften stärken oder das Wohnumfeld verschönern, z.B.:
AnwohnerInnen, Initiativen und Vereine können die Kostenübernahme bis zu € 1.000,- für die Realisierung einer solchen Idee beantragen. Über die Vergabe entscheidet eine für jeden Stadtteil gebildete Bürgerjury. 515 BürgerInnen haben sich bereit erklärt, in den Jurys mitzuwirken. Jede Jury besteht aus 10-15 BürgerInnen, die Zusammensetzung erfolgte nach einem Losverfahren, wobei drei Altersgruppen (Jugendliche, Erwachsene, SeniorInnen) geschlechtsparitätisch gebildet wurden, hinzu kamen jeweils BürgerInnen mit Migrationshintergrund.
Die Konstituierung der Bürgerjurys erfolgte Mitte April 2010. Sie haben bereits mehrfach getagt, Projektvorschläge werden z.T. sehr kritisch beäugt. Die Verwaltung prüft die bewilligten Projekte nur unter formalrechtlichen Aspekten, nicht jedoch fachlich-inhaltlich. Für die Realisierung der bewilligten Projekte sind die BürgerInnen verantwortlich.
Die politische Spitze muss
Der Bürgerhaushalt darf nicht als Ein-Parteien-Projekt angelegt sein, ein parteiübergreifender Konsens ist notwendig. Zunächst ist ein Regelwerk – welches strikt zu beachten ist – zu den Beteiligungsverfahren, -grundlagen und -wegen unter Beteiligung aller AkteurInnen zu erarbeiten. Die Partizipation befördert zugleich die Entwicklung der Stadtteile und die Realisierung der Leitziele. Sie wird für den Bezirk insgesamt und nicht nur für ausgewählte Stadtteile durchgeführt.
Der Bezirkshaushaltsplan ist insgesamt verständlich und lesbar, die Beteiligung sollte sich aber auf die Aufgabenbereiche erstrecken, die vom Bezirksamt beeinflussbar/steuerbar sind. Das Verfahren ist offen, auf Dauer angelegt und findet im jährlichen Zyklus statt. Die Politik legt Rechenschaft darüber ab, inwieweit die Vorschläge in den Bezirkshaushaltsplan aufgenommen bzw. im Rahmen der Haushaltsdurchführung umgesetzt wurden. Eine regelmäßige Berichterstattung über die Art der Umsetzung von Vorschlägen der Bürgerhaushalte ist Pflicht der Verwaltung. Der Zugang ist niedrigschwellig, d.h.,
Das Beteiligungsverfahren fördert die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement. Der Prozess wird regelmäßig unter Beteiligung von BürgerInnen, Politik und Verwaltung evaluiert (z.B. im Rahmen eines offenen Workshops).
http://www.buergerhaushalt-lichtenberg.de