Was haben wir nicht schon alles über Innovation in der Verwaltung gelesen! Wie bringen wir öffentliche Verwaltungen dazu, Innovationen zu entwickeln und umzusetzen? Gibt es neue Ansätze dazu? Ein Thema, das die Innovationsdiskussion in der Privatwirtschaft gerade dominiert, sind «Geschäftsmodelle». Vereinfacht gesagt, beschreiben sie die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Leistungen für die Kundinnen gestalten, und wie sie damit Geld verdienen. Service Modelle sind die Entsprechung im öffentlichen Sektor. Im Zentrum steht allerdings nicht der Umsatz, sondern die Wirkung für die Gesellschaft (Public Value). Das Denken in Service Modellen hilft, die aktuelle Gestaltung von Verwaltungsleistungen zu hinterfragen und sie innovativer zu machen. Wenn wir dabei auch noch die neuen Möglichkeiten einbauen, die sich aus der digitalen Transformation ergeben, dann kann die Innovationsfähigkeit der Verwaltung massgeblich verbessert werden.
Raus aus der Kartonschachtel!
«Out of the box» ist das Schlagwort, mit dem Innovations-Champions ihre Konzepte anpreisen. Tatsächlich ist der erste Schritt wohl der schwierigste: Sich von dem zu lösen, was man bisher erfolgreich gemacht hat. Der Innovationsforscher Oliver Gassmann (Universität St. Gallen) spricht von Orthodoxien, die über Bord geworfen werden müssen. Wie aber können wir uns gedanklich vom Bewährten lösen, ohne uns zu verunsichern?
Der Service Model Navigator geht diese Phase der «Ideation» (Entwickeln neuer Ideen) spielerisch an. Das Forscherteam im Smart Government Lab der Uni St. Gallen hat 45 verschiedene Modelle gefunden, die heute schon in Kernverwaltungen eingesetzt werden. Jedes Modell ist auf einer Karte beschrieben, sodass mit dem Kartenset auch zufällige Kombinationen gespielt werden können.
In speziellen Innovationsworkshops werden Gruppen gebildet, in denen möglichst unterschiedliche Expertisen zusammenkommen. Die Spielgrundlage bilden das Kartenset und ein Canvas mit sieben Elementen, die zu beschreiben sind: Wirkung, Zielgruppen, Art der Wertschöpfung, Finanzierung und Risikoteilung, Zusammenarbeit und Expertise, Legitimation, rechtliche Grundlagen.
Um mit dem Ansatz vertraut zu werden, beschreiben die Gruppen die bestehenden Services in den sieben Feldern. Erst danach wählen sie (zum Teil zufällig) andere Modelle und überlegen sich, wie dieser Service mit dem anderen Modell ausgestaltet werden könnte. Damit «schubsen» sie sich selbst in ein innovatives Denken, das aus dem Bestehenden ausbricht.
Inspiration: Funktionierende Modelle
Der grösste Teil erfolgreicher Innovationen im Privatsektor sind Ideen, die in einem Bereich funktionieren und auf einen anderen Bereich übertragen werden, schreiben Gassmann et al. (2017) in ihrem Buch. Es ist gar nicht notwendig, alles komplett neu zu erfinden. Das gilt genauso für innovative Services der Verwaltung. Von den anderen lernen, deren Ideen auf den eigenen Bereich übertragen, ist die Grundlage der Service Modell Innovation. Die 45 Modelle liefern dafür eine (manchmal provokative) Blaupause, mit der die Expertenteams in der Verwaltung arbeiten können.
Nehmen wir das Beispiel Alter: Viele Kommunen haben das Ziel, die alten Menschen so lange wie möglich zuhause wohnen zu lassen. Das entspricht zuvorderst den Wünschen der Menschen, ist aber zudem oft kostengünstiger als ein Platz im Alters- und Pflegeheim. Doch wie kann das erreicht werden? Der traditionelle Reflex der öffentlichen Verwaltung ist, die Aufgabe mit eigenen Mitteln (Personal, Infrastruktur) zu erfüllen. Das geht aber auch anders. In unserer Studie zeigen wir, wie etwa Singapur oder das Vereinigte Königreich Plattformen eingerichtet haben, um Anbietende und Abnehmende von Leistungen für die Öffentlichkeit miteinander zu verbinden. Warum also nicht das Plattform-Modell für die Altersbetreuung verwenden?
Vielleicht gibt es Unternehmen oder Non-Profit Organisationen, die für die Betreuung alter Menschen zuhause innovativere Ideen haben als die öffentliche Verwaltung. Indem eine Plattform geschaffen wird, können solche innovativen Ansätze gefördert werden, und der Service an sich wird wirkungsvoller. Studien zeigen, dass Plattformen im Verwaltungs-Kontext tatsächlich erfolgreich eingesetzt werden – dass sie aber bewusst gestaltet werden müssen, um langfristig ihre Legitimität zu behalten.
… und es funktioniert!
Obwohl der Service Model Navigator noch jung ist, konnten wir ihn in unserer Praxis schon in unterschiedlichen Kontexten anwenden. Mit Führungskräften einer (für Schweizer Verhältnisse) mittelgrossen Stadtverwaltung gelang es in einem eintägigen Workshop, den Navigator zu erläutern und in Gruppen konkrete Services neu zu entwickeln. Gleiches durften wir mit einer halbstaatlichen Finanzierungsorganisation erleben. Ebenso positiv sind die Erfahrungen in Weiterbildungen, die wir für Verwaltungsführungskräfte anbieten. Je mehr wir damit arbeiten, desto besser verstehen wir die Mechanismen, die der Navigator bei den Beteiligten auslöst.
Persönlich bin ich überzeugt, dass der spielerische Zugang zur Ideenfindung für neue, innovative Services ein grosses Plus des Service Model Navigators ist.
Zum Navigator: Service Model Navigator | Innovation in der öffentlichen Verwaltung (service-model-navigator.com)
Literatur
Gassmann, O.; Frankenberger, K., Csik, M. (2017). Geschäftsmodelle entwickeln: 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Modell Navigator. München: Hanser, 2. Aufl.
Schedler, K.; Guenduez, A. (2023). Business Model Navigator Handbuch. Bern: Haupt (englische Fassung als E-Book erhältlich)