
In der Fülle an Literatur und Praxisratgebern zu den Themen Management und Leadership findet sich eine Vielzahl an Konzepten und Ratschlägen zu „guter Führung“ in Organisationen. Die direkte Übertragbarkeit auf die spezifischen eigenen Führungssituationen und Herausforderungen gestaltet sich dabei oft schwierig. Der Aspekt von Führungsqualität nimmt, neben anderen Faktoren wie Ergebnis-, Struktur- und Prozessqualität als auch hinsichtlich der Veränderungsfähigkeit einer Organisation, eine zentrale Rolle ein. Um nachhaltig die eigene Führungsqualität zu verbessern, bedarf es einer kontinuierlichen und kritischen Reflexion der eigenen Führungshaltung.
Nach wie vor ist es weit verbreitet, dass Management und Leadership das Gleiche sind – dabei handelt es sich um unterschiedliche Führungshaltungen. Während Management nach der Grundlogik Planen, Steuern, Kontrollieren handelt, beschäftigt sich Leadership mit der Entwicklung und Förderung von Potenzialen. Oder überspitzt formuliert: Während ManagerInnen in den MitarbeiterInnen primär Kostenfaktoren sehen, die bestmöglich eingesetzt werden müssen, sieht Leadership in den MitarbeiterInnen PotenzialträgerInnen, die es im Sinne der Organisationsziele optimal zu fördern und zu entwickeln gilt. Klar ist auch, dass gute Führung beide Dimensionen berücksichtigen und integrieren muss.
Diese Führungsqualität gilt es stets situativ in Abhängigkeit der spezifischen Organisationskultur, der Erwartungen an die eigene Führungsrolle, der spezifischen Führungssituation und des Mitarbeitervermögens zu hinterfragen, neu zu positionieren und weiterzuentwickeln. Dabei kann der links abgebildete Reflexionsrahmen hilfreich sein.
![]() |
Quelle: Eigene Darstellung Philip Parzer |
Vor allem zwei Aspekte prägen Verwaltungskulturen, nämlich die zuverlässige und ordnungsgemäße Aufgabenausführung und der Respekt gegenüber Anweisungen von oben.1 Im Prinzip sind dies Qualitäten bei denen es – auf den ersten Blick – nichts einzuwenden gibt. Sieht man genauer hin, so eröffnen sich meist auf den zweiten Blick mögliche Ausprägungen dieser kulturellen Muster in Form von Dienst-nach-Vorschrift-Mentalitäten, autoritären Führungshaltungen, großflächiger Demotivation und niedrigem Leistungs- und Innovationspotenzial. Kulturmuster, die Reformbemühungen im öffentlichen Sektor erheblich erschweren. Führungskräfte sind hier gefordert eingefahrene Denk- und Verhaltensmuster durch eigene Führungshandlungen aufzubrechen. Striktes Management und autoritäre Führung mag in diesem kulturellen Umfeld aus Sicht der Führungskraft zwar Sinn machen und in manchen Situationen auch absolut notwendig sein – eine dauerhafte Befolgung dieser Führungshaltung erzeugt jedoch „Ja-Sager“, „Nein-Meiner“ und „Nichts-Tuer“ und ist somit eine denkbar schlechte Voraussetzung für Change-Vorhaben.
Führungssituationen gibt es viele und können wohl kaum umfassend aufgezählt werden. Grundsätzlich sollte sich jede Führungskraft bewusst sein, dass unterschiedliche Führungssituationen auch unterschiedliche Führungsinterventionen erfordern. Sind Konflikte im Team spürbar, so ist eher bewusstes Hinschauen und behutsames Ansprechen gefragt, als so zu tun als würde es kein Problem geben.
Gute Führungskräfte verstehen es in Abhängigkeit der jeweiligen Führungssituation die Rollen zu wechseln – MediatorIn in konfliktreichen Situationen, RichtungsgeberIn bei komplexen Herausforderungen, Coach in Fragen der Weiterentwicklung von MitarbeiterInnen etc.
Gute Führung muss jedoch auch auf das fachliche und soziale Potenzial der Belegschaft Rücksicht nehmen. Dabei geht es nicht um komplizierte Verfahren zur Potenzialeinschätzung und tiefenpsychologische Analysen, sondern um das Bewusstmachen, was MitarbeiterInnen brauchen, um gut arbeiten zu können, was sie antreibt etc. Vor allem in Hinblick auf die Veränderungsfähigkeit öffentlicher Verwaltungen gilt es innovative Köpfe und QuerdenkerInnen bewusst zu unterstützen, damit diese nicht von traditionellen Verwaltungskulturen überrollt werden. Regelmäßige und unter dem Gesichtspunkt der individuellen Weiterentwicklung geführte Mitarbeiter- und Potenzialgespräche sowie aufrichtiges Interesse für die persönlichen Belange der MitarbeiterInnen können dazu Einsichten in dieses Feld erschließen.
Oft ist es in öffentlichen Verwaltungen noch so, dass die besten SachbearbeiterInnen zu Führungskräften werden. Das Bewusstsein um die Wichtigkeit von Führungshandeln ist daher auch oft enden wollend wie folgendes Zitat verdeutlicht: „Ich habe keine Zeit zu führen, ich muss ja auch noch arbeiten.“ Zentrale Frage ist: Welche Erwartungen knüpfen meine Vorgesetzten (Politik, Verwaltungsführung etc.) und MitarbeiterInnen und ich selbst an meine Führungsrolle? Erst wenn diese Erwartungen transparent sind, kann das eigene Handeln bewusst darauf ausgerichtet werden.
Um ins richtige Tun zu kommen, bedarf es der laufenden und kritischen Reflexion der eigenen Führungshandlungen. Hierzu bedarf es passender „Spiegel“, im Sinne von Reflexionsräumen, aus denen neue Einsichten gewonnen werden können. Hierzu bieten sich eine Reihe an Methoden und Instrumenten an, die von individuellen Coachings, Führungskräftetrainings, Selbsterfahrungsgruppen bis hin zu organisationsinternen Instrumenten wie Mitarbeiterbefragungen, 360-Grad-Feedbacks, Teamentwicklung etc. reichen. Entscheidend bei allem Tun ist jedoch der aufrichtige Wille selbst etwas ändern zu wollen und offen für neue Sichtweisen zu sein. Erfahrungen, die den Führungsalltag durchaus bereichern können ...