Wien - Das KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung analysiert im Auftrag des Österreichischen Städtebundes regelmäßig die Entwicklung der österreichischen Gemeindefinanzen. Im aktuell erschienenen Gemeindefinanzbericht werden die Entwicklungen von 2009 bis 2020 beleuchtet, womit erstmals das Pandemiejahr 2020 und die Umstellung des Haushalts- und Rechnungswesens abgebildet sind. Die aktuelle konjunkturelle Entwicklung (Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation) bringt für die Zukunft hohe Unsicherheiten und erfordert Maßnahmen.
Auswirkungen der Pandemie auf die Gemeindefinanzen
Das Jahr 2020 als erstes Pandemiejahr brachte für die Gemeinden deutliche Einschnitte bei wichtigen Einnahmequellen. Einerseits kam es zu einem
markanten Rückgang der Gemeindeertragsanteile um 9 Prozent gegenüber 2019, andererseits reduzierte sich das Kommunalsteueraufkommen um 5 Prozent. Die genannten Einnahmenrückgänge konnten durch zusätzliche Transfers von den Ländern, durch das Kommunale Investitionsprogramm des Bundes und Sparmaßnahmen der Gemeinden zum Teil abgefedert werden.
Im Bereich der Auszahlungen zeigten sich moderate Entwicklungen. Mit 4 Prozent stiegen die Personalausgaben ähnlich wie in den Vorjahren. Die Personalstände wurden gehalten, um die kommunale Daseinsvorsorge aufrecht zu erhalten und die Pandemie zu bewältigen. Zu deutlichen Anpassungen kam es im Bereich des Sachaufwandes, wo es etwa zu einem Rückgang bei Instandhaltungsmaßnahmen kam. Die Transfers an Beteiligungen (welche von Corona-Hilfsmaßnahmen des Bundes in der Regel ausgenommen sind) oder an private Haushalte und NGOs stiegen. Die Transferauszahlungen an Träger des öffentlichen Rechts stiegen um nur 2 Prozent, was als positiv zu beurteilen ist.
Die freie Finanzspitze – d. h. der Saldo der operativen Gebarung abzüglich der Tilgungen – lag 2020 nur mehr bei 226 Mio. Euro. Dem standen Investitionen von 3,1 Mrd. Euro gegenüber. Entgegen den Befürchtungen zu Beginn der Pandemie ist damit ein wesentlicher Rückgang der Investitionen im Jahr 2020 ausgeblieben. Das Mitte 2020 aufgelegte Kommunale Investitionsprogramm hat hierzu einen wichtigen Beitrag geleistet. Die Investitionen wurden jedoch auch mit Rücklagenauflösungen und Darlehensaufnahmen finanziert. Die Verschuldung der Gemeindehaushalte lag 2020 bei 12,9 Mrd. Euro, was ein Plus um 8 Prozent gegenüber 2019 bedeutet.
Umstellung des Haushalts- und Rechnungswesens: Erstmals Aussagen zum Vermögen möglich
Mit der Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung (VRV) 2015 wurde der Übergang von einem kameralen Rechnungswesen zu einem integrierten Drei-Komponenten-Haushalt beschlossen. Im Finanzjahr 2020 mussten alle Gemeinden erstmals einen Ergebnis-, Finanzierungs- und Vermögenshaushalt erstellen.
Mit dem Vermögenshaushalt sind erstmals Aussagen zum Vermögen und dessen Finanzierung (Eigen- und Fremdmittel) möglich. Das Vermögen der Gemeinden belief sich mit Ende 2020 auf 84 Mrd. Euro. Davon entfallen fast 50 Prozent auf Grundstücke sowie Straßeninfrastruktur (beispielsweise Straßen, Geh- und Radwege, Tunnel, Brücken, Verkehrszeichen etc.), weitere 16 Prozent auf Gebäudeinfrastruktur und 13 Prozent auf Wasser- und Abwasserbauten. Als positiv zu werten ist, dass ein Großteil davon, nämlich 74 Prozent des Gesamtvermögens, aus eigener Kraft (ohne Fremdmittel) finanziert werden konnte.
Ausblick und Handlungsempfehlungen: Kommunale Investitionen absichern
Die weiteren Jahre bleiben aufgrund der konjunkturellen Entwicklung, beeinflusst durch den Krieg in der Ukraine und den weiteren Verlauf der Pandemie, hinsichtlich ihrer Entwicklung unsicher. Die hohe Inflation führt zu höheren Steuereinnahmen für den Staat, wodurch sich auch die Einnahmen der Gemeinden durch eine starke Entwicklung der Ertragsanteile 2022 erhöhen werden. Die Mehreinnahmen werden jedoch durch entsprechende Entlastungspakete für die Bevölkerung gedämpft. Außerdem sind Gemeinden auch mit Mehrausgaben konfrontiert. So zieht die hohe Inflation höhere Gehälter der öffentlich Bediensteten nach sich. Die Sachausgaben – allen voran die Energiepreise – führen zu einem raschen Anstieg der laufenden Ausgaben. Hinzu kommen Mehrausgaben im Sozial- und Gesundheitsbereich, wodurch auch mit einem Anstieg der Umlagen zu rechnen ist.
Als wichtiger öffentlicher Investor stehen die Gemeinden überdies vor dringend notwendigen Investitionen. Dies reicht vom weiteren Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen bis hin zu Investitionen zur Bewältigung der Klimakrise. Dem entgegen stehen aktuell mehrere Hindernisse: Die Bauwirtschaft wird durch Materialmangel und Lieferengpässe gebremst, wodurch sich deutliche Verzögerungen und starke Preisanstiege ergeben. Um die Investitionen der Gemeinden trotz massiver Preisentwicklung in der Bauwirtschaft abzusichern, braucht es weiterhin Unterstützung zur Absicherung der kommunalen Investitionstätigkeit. Ergänzend dazu wird vom KDZ zur Absicherung der klimaschutzrelevanten Investitionen ein bundesweiter Klimaschutzfonds, etwa nach Vorbild des Siedlungswasserwirtschaftsfonds, vorgeschlagen. Ein solcher Fonds sollte nach objektiven Förderkriterien bedarfsorientiert Projekte fördern, z.B. den Ausbau des öffentlichen Verkehrs in Städten, Anpassungsmaßnahmen zur Vermeidung von Hitzeinseln in Ortszentren oder thermische Sanierungen sowie Umstellungen der Heizsysteme in kommunalen Gebäuden.
Städtebund fordert rasches Maßnahmenbündel
Der Österreichische Städtebund verweist aufgrund der Ergebnisse des Gemeindefinanzberichts und der kürzlich präsentierten Gemeindefinanzprognose auf seine am Städtetag 2022 – überparteilich beschlossene - Resolution.
„Die Städte und Gemeinden sind wichtige öffentliche Investoren. Es gilt diese Investitionsfähigkeit – insbesondere in klimafreundliche und soziale Infrastruktur – rasch zu sichern. Außerdem ist die Resilienz der Gemeindefinanzen durch Reformen zu stärken, die Pandemiebewältigung im Finanzausgleich zu evaluieren und ein Reformprozess in Richtung eines stärker resilienten Finanzausgleiches aufzusetzen“, fordert Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger.
Abschließend verweist Weninger erneut auf die Forderung des Österreichischen Städtebundes, die Städte und Gemeinden bei politischen Verhandlungen einzubinden, wenn diese unmittelbar von den Ergebnissen betroffen sind. Dies wurde in der Vergangenheit häufig versäumt.
Berichte und Downloads:
Resolution parteiübergreifend beschlossen am 71. Österreichischen Städtetag in Villach