Stellungnahme im Petitionsausschuss des ÖNR zur Sicherung der Gemeindefinanzen
KDZ-Expertin Karoline Mitterer wurde in den Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen des Österreichischen Parlaments eingeladen, um am 17.3. zum Thema "Sicherung der Gemeindefinanzen" ihre Expertise zu teilen.
Auswirkungen der Coronakrise auf die Gemeindefinanzen
Karoline Mitterer, KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung
Auswirkungen der Coronakrise auf die Gemeindefinanzen
Durch die Coronakrise sind Mindereinnahmen für Gemeinden von 4 Mrd. Euro für 2020/2021 zu erwarten. Dies umfasst Mindereinnahmen aufgrund des Wirtschaftseinbruches und der Steuerreform.
Dem stehen von Bundesseite zwei Gemeindepakete in Höhe von 2,5 Mrd. Euro für 2020/2021 gegenüber (1 Mrd. Kommunales Investitionsprogramm, 1,5 Mrd. 2. Gemeindepaket).
Die Gemeinden müssen die Differenz von 1,5 Mrd. Euro decken. Dies erfolgte bisher beispielsweise über Auflösung von Rücklagen, über Darlehensaufnahmen oder durch Transfers der Länder.
Insgesamt zeigen sich zwei zentrale Problembereiche: Liquidität und Investitionen. Die beiden Gemeindepakete setzen grundsätzlich an diesen beiden Säulen an.
Einschätzung bisheriger Maßnahmen
Das Kommunale Investitionsprogramm (KIP 2020) ist ein wichtiges Instrument, um den Investitionseinbruch 2020/2021 abzudämpfen. Eine gänzliche Verhinderung des Einbruches wird dadurch nicht möglich sein. Auch zusätzliche Impulse zur Wirtschaftsbelebung sind nicht zu erwarten. Um die Wirtschaft mittelfristig zu stützen, wäre eine Fortführung des Programmes in den nächsten Jahren notwendig. Auch sollten Schwerpunkte – etwa in den Bereichen Klimaschutz, Demografie und Gemeindekooperationen – gesetzt werden (z.B. unterschiedliche Fördersätze).
Das 2. Gemeindepaket leistet einen wichtigen Beitrag zur Liquiditätssicherung 2021 und sichert die Gemeinden gegenüber weiteren konjunkturellen Schocks ab. Da jedoch der Großteil von den Gemeinden zurückgezahlt werden muss, wird das bestehende Problem in die Zukunft verschoben. Ohne Reformmaßnahmen zur Entlastung der Gemeindeebene sind mittelfristig harte Konsolidierungsmaßnahmen inkl. Leistungskürzungen zu erwarten.
Die Länder haben die Rahmenbedingungen für Gemeinden erleichtert (z.B. Kassenkredite, Umschichtung Gemeinde-Bedarfszuweisungen). Teils gab es Mittel aus den Landesbudgets.
Die Gemeinden sowie gemeindeeigene Gesellschaften sind großteils von Corona-Hilfsprogrammen ausgeschlossen (v.a. Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss).
Risiko von Leistungskürzungen durch mittelfristig sinkende Spielräume
Gemäß den KDZ-Prognosen zu den Gemeindefinanzen zeigen sich mittelfristig deutlich sinkende finanzielle Spielräume. Zwar kommt es 2021 dank des 2. Gemeindepakets zu einer weitgehenden Entlastung. Bis 2024 reduzieren sich die finanziellen Spielräume jedoch erneut um zumindest die Hälfte. Dies ergibt sich durch die sehr geringe Steigerung der Ertragsanteile (+7% von 2019-2024) bei gleichzeitig wenig Einsparungspotenzial ohne Leistungskürzungen.
Mittelfristig ist daher mit einem deutlichen Anstieg der Abgangsgemeinden zu rechnen. Konsequenzen können insbesondere sein: Unterfinanzierung der Daseinsvorsorge (z.B. Verschlechterung der Angebote bei Kinderbetreuung, Nachmittagsbetreuung, Sport, Freizeit), Leistungskürzungen (z.B. Schließung Freibäder, Bibliotheken), Personalabbau, Schwächung des Vereinslebens und Investitionseinbruch.
Gründe für Gemeinde-Hilfsprogramme
Gemeinden erbringen Aufgaben der Daseinsvorsorge, welche krisenunabhängig funktionieren müssen.
Gemeinden sind wichtige Arbeitgeber und Investoren. Sie können einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der Wirtschaftskrise leisten, sofern sie entsprechende Spielräume haben.
Durch Investitionsstopps besteht ein hohes Risiko von nicht wieder aufholbaren Investitionsrückstaus; insbesondere im Zusammenhang mit Klimaschutz und Demografie.
Eine Überschuldung der Gemeinden würde die Probleme weiter in die Zukunft verschieben. Aktuell besteht ein nicht unbeträchtlicher Teil an Abgangsgemeinden, die hier noch tiefer in die Abwärtsspirale rutschen würden.
Die Gemeinden können sich – im Vergleich zu Bund oder Ländern – ungleich schwerer selbstständig aus der Krise hinausmanövrieren, da Handlungsmöglichkeiten der Gemeinden eingeschränkt sind.
Alternativen zu Gemeinde-Hilfsprogrammen
Alternative wäre die Umsetzung längst fälliger Reformen im Finanzausgleich (z.B. Reduktion der Transferbelastung durch Länder, Grundsteuerreform, aufgabenorientierter Finanzausgleich) sowie Reformen in Aufgabenbereichen (Gemeindestrukturreform, Pflege, Kinderbetreuung, Ganztagsschulen).
Ausblick
Das große Potenzial der Gemeinden zur Bewältigung der Wirtschaftskrise und zum Aufbau zukunftsfähiger Infrastrukturen sollte bestmöglich genutzt werden. Hierzu brauchen sie jedoch finanzielle Spielräume. Die Mittel sollten jedoch nicht per „Gießkanne“ verteilt werden, sondern Steuerungsaspekte (z.B. Klimaschutz, Gemeindekooperationen) berücksichtigen. Eine gute Einbindung in den EU-Aufbauplan wäre hier ein wichtiger Schritt.