Anna[1] ist zwei Jahre alt und wird ab der kommenden Woche eine Kinderbetreuungseinrichtung besuchen. Welche Betreuungsangebote gibt es grundsätzlich und wie gut können Annas Erziehungsberechtigte Beruf und Familie unter einen Hut bringen? Ein kurzer Überblick über die aktuelle Betreuungslandschaft in Österreich.
Je nachdem in welchem Bundesland Anna wohnt, wird die erste Betreuung in einer Kinderkrippe, einer Krabbelstube, einer Kleinkindbetreuungseinrichtung, einer altersgemischten oder alterserweiterten Gruppe, einer Spielgruppe oder einer Familiengruppe stattfinden. Die institutionelle Kinderbetreuung ist laut Bundesverfassung[2] in Gesetzgebung und Vollzug nämlich Landessache. Dementsprechend erlassen alle neun österreichischen Bundesländer eigene Gesetze im Bereich des Kinderbetreuungs- und Hortwesens, mit teils sehr unterschiedlichen Vorgaben hinsichtlich Gruppengrößen, Betreuungsschlüsseln und administrativen Erfordernissen. Träger dieser Einrichtungen sind wiederum überwiegend Gemeinden und Gemeindeverbände, konfessionelle Verbände, privatwirtschaftliche Unternehmen sowie zahlreiche gemeinnützige (Eltern-)Vereine.
Welche Betreuungseinrichtungen stehen zur Auswahl?
Kleinkindbetreuungseinrichtungen (Krippen) können in der Regel bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres besucht werden und gelten als erste außerfamiliäre, elementarpädagogische Einrichtung, die zur Bildung, Erziehung, Betreuung und Pflege von Kindern durch pädagogisches Fachpersonal bestimmt ist.[3] Anna kann allerdings auch eine altersgemischte bzw. alterserweiterte Gruppe bspw. in einem Kindergarten besuchen. Dies ist eine Gruppe, deren Angebot sich neben Kindern im Kindergartenalter auch an Kinder unter drei Jahren und/oder Kinder im volksschulpflichtigen Alter richtet.[4]
Ab einem Alter von zweieinhalb bzw. drei Jahren – je nach Wohnsitz – bis zur Schulpflicht kann Anna dann einen Kindergarten besuchen oder auch (weiterhin) in einer altersgemischten bzw. alterserweiterten Gruppe bleiben. Weiters besteht die Möglichkeit von Tageseltern betreut zu werden. Ergänzend dazu bestehen auch Sonderformen wie beispielsweise Integrationskindergärten, sonder- bzw. heilpädagogische Kindergärten. Annas Erziehungsberechtigte können – je nach Verfügbarkeit der Einrichtungen – grundsätzlich aus verschiedenen Betreuungsangeboten wählen.
Während der Besuch zu Beginn noch freiwillig ist, besteht für Kinder, die vor dem 1. September des jeweiligen Jahres das fünfte Lebensjahr vollendet haben und im Folgejahr schulpflichtig werden, eine Besuchspflicht[5]. Diese kann in Kindergärten und – je nach Bundesland – auch in anderen geeigneten elementaren Bildungseinrichtungen bzw. vereinzelt (Ktn.[6], NÖ[7]) im Rahmen der häuslichen Erziehung oder durch Tageseltern erfüllt werden. Anna ist also verpflichtet zumindest ein Jahr eine vorschulische Kinderbetreuungseinrichtung zu besuchen.
Für Anna selbst bieten die Kinderbetreuungseinrichtungen die Möglichkeit erste vorschulische Inhalte und soziale Kompetenzen zu erlernen sowie die Persönlichkeit zu bilden. Ihren Erziehungsberechtigten ermöglicht eine angemessene Betreuung Beruf und Familie zu vereinbaren. Denn die Kinderbetreuung ist ein zentrales Element sowohl für die Kinder selbst als auch für ihre Erziehungsberechtigten, die ihre Kinder während des Tages gut versorgt wissen wollen.
Wie entwickelt sich das Kinderbetreuungsangebot?
Grundsätzlich hat sich das Angebot der elementaren Kinderbetreuung in den letzten Jahren sowohl quantitativ als auch qualitativ maßgeblich verbessert. Durch Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern nach Art. 15a B-VG wird seit 2007 der Ausbau der institutionellen und elementaren Kinderbetreuung finanziell gefördert und damit eine Angebotsausweitung und -erweiterung vorangetrieben. Darüber hinaus wurde 2009 die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung beschlossen, um allen Kindern beste Bildungsmöglichkeiten und Startchancen in das spätere Berufsleben unabhängig von ihrer sozioökonomischen Herkunft zu bieten. Auch die frühe sprachliche Förderung von 3- bis 6-jährigen Kindern mit mangelnden Deutschkenntnissen war eines der Ziele.
Der quantitative Ausbau des Betreuungsangebotes wird insbesondere durch die Entwicklung der Betreuungsquote deutlich. Sie gibt den Anteil der Kinder in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen im Vergleich zur gleichaltrigen Wohnbevölkerung wieder. Die Entwicklung der Betreuungsquote seit 1995 zeigt beträchtliche Anstiege. Bei den 0- bis 2-Jährigen stieg sie zwischen 1995 und 2019/2020 von 4,6 auf 27,6 Prozent. Bei den 3- bis 5-Jährigen wuchs die Betreuungsquote von 70,6 auf 93,4 Prozent.[8] Ergänzend zur institutionellen Betreuung gibt es in Österreich noch weitere Betreuungsformen. Durch die neun Landesgesetze ist die Kinderbetreuungslandschaft in Österreich teils unterschiedlich ausgestaltet. In manchen Bundesländern wird bspw. stärker auf die Betreuung durch Tageseltern gesetzt, welche in der hier angeführten Statistik zur institutionellen Kinderbetreuung nicht erfasst sind.
Beim Vergleich der Betreuungsquoten 2019/2020 zwischen den Bundesländern (siehe Abbildung 1), zeigen sich teils große Unterschiede. Die höchsten Quoten bei den 0- bis 2-Jährigen zeigen sich in Wien (44 Prozent) und im Burgenland (34 Prozent); die niedrigste in der Steiermark (16,9 Prozent). Die höchsten Betreuungsquoten bei den 3- bis 5-Jährigen finden sich in Niederösterreich (97,3 Prozent) und im Burgenland (96,5 Prozent), der niedrigste Wert in der Steiermark (88,1 Prozent).[9] Grundsätzlich ist noch zu erwähnen, dass die Quoten in Städten und Ballungsräumen derzeit höher sind, als im ländlichen Raum.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Wesentlich zur Vereinbarung von Familie und Beruf ist für Annas Erziehungsberechtigte nicht nur die gute Erreichbarkeit einer Betreuungseinrichtung, sondern auch die grundsätzlichen Öffnungszeiten dieser. Laut Kindertagesheimstatistik besteht bei rund 75 Prozent der Plätze in den Kinderbetreuungseinrichtungen eine tägliche Öffnungsdauer von mindestens 8 Stunden; 10 Prozent der gesamten Plätze haben 12 und mehr Stunden geöffnet. Darüber hinaus haben nur etwa 31 Prozent der Kinderbetreuungseinrichtungen 51 bis 52 Wochen pro Jahr – also ganzjährig – geöffnet.[10] Auch hier zeigen sich wiederum Unterschiede zwischen dem städtischen und dem ländlichen Raum. Im Bundesländervergleich verzeichnet beispielsweise das Burgenland die meisten geschlossenen Betriebstage pro Jahr (31,9), Wien die wenigsten (6,9).[11]
Der Vereinbarkeitsindikator für Beruf und Familie (VIF) definiert VIF-konforme Betreuungseinrichtungen (mit der Vollbeschäftigung der Eltern zu vereinbarende, elementare Kinderbildung und -betreuung) als ein entsprechendes institutionelles Angebot definiert durch[12]:
- qualifiziertes Personal,
- Öffnungszeiten von mindestens 47 Wochen im Kindergartenjahr,
- Öffnungszeiten von mindestens 45 Stunden wöchentlich,
- Öffnungszeiten werktags von Montag bis Freitag,
- Öffnungszeiten an vier Tagen wöchentlich mindestens 9 ½ Stunden und
- das Angebot von Mittagessen.
In Österreich wurden im Jahr 2019/2020 60,3 Prozent der 0- bis 2-Jährigen sowie 46,8 Prozent der 3- bis 5-Jährigen in VIF-konformen Einrichtungen betreut. Je nachdem in welchem Bundesland Annas Familie wohnhaft ist, variiert das Angebot. Den höchsten Anteil bei den 0- bis 2-Jährigen hat Wien mit 93,6 Prozent gefolgt von Kärnten mit 72,4 Prozent. Den geringsten Anteil an VIF-konform betreuten Kindern in dieser Altersklasse weisen Oberösterreich (24,9 Prozent) und das Burgenland (26,8 Prozent) auf.[13]
Wer aufhört, besser werden zu wollen, hört auf, gut zu sein. (Oliver Cromwell)
Auch wenn sich das Kinderbetreuungsangebot in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark verbessert hat, gibt es weiterhin Entwicklungsbedarf. Die Betreuungsquoten entwickeln sich grundsätzlich in die richtige Richtung, wobei vor allem bei VIF-konformen Betreuungsplätzen Ausbaubedarf besteht. Auch die teils erheblichen Unterschiede in den einzelnen Bundesländern müssen entsprechend angeglichen werden. Es muss bundesweit für ein gut ausgebautes Betreuungsangebot und ein hohes Betreuungsniveau gesorgt sowie der flächendeckendende Ausbau forciert werden. Eine bedarfsorientierte Finanzierung könnte unter anderem einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des Betreuungsangebotes leisten. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie darf nicht vom Wohnsitz abhängen und muss österreichweit gefördert werden und gesichert sein. Unabhängig vom Wohnort und im Sinne der Chancengleichheit muss Anna ein qualitätsvolles Betreuungsangebot erhalten und ihren Erziehungsberechtigten gleichzeitig die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit gegeben werden.
Wie geht es weiter?
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[1] Häufigster Vorname für Mädchen zwischen 1984 und 2019 (vgl. Statistik Austria: Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung, Stand 18.09.2020)
[2] Art.14 Abs.4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idF. BGBl. I Nr. 24/2020
[3] § 2 Abs. 2 Tiroler Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsgesetz, LGBl. Nr. 48/2010 idF LGBl. Nr. 80/2020
[4] § 2 Abs. 4 Oö. Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, LGBl.Nr. 39/2007 idF. LGBl.Nr. 35/2020
[5] § 24 Abs. 4 Burgenländisches Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, LGBl. Nr. 67/2009 idF, LGBl. Nr. 70/2019
[6] § 24 Kärntner Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, LGBl. Nr. 13/2011 idF. LGBl Nr 82/2020
[7] § 19a Abs. 8 NÖ Kindergartengesetz, LGBl. 5060-0 idF. LGBl. Nr. 61/2020
[8] Statistik Austria: Kindertagesheimstatistik 2019/2020
[9] Statistik Austria: Kindertagesheimstatistik 2019/2020
[10] Statistik Austria: Publikation zur Kindertagesheimstatistik 2019/2020, 2020, S. 11.
[11] Statistik Austria: Publikation zur Kindertagesheimstatistik 2019/2020, 2020, S. 12.
[12] Abs. 5 Artikel 4 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots BGBl. I Nr. 120/2011 idF BGBl. I Nr. 6/2018
[13] Statistik Austria: Kindertagesheimstatistik 2019/2020