
Das Jahr 2023 markiert einen Wendepunkt: Nach den turbulenten Krisenjahren haben sich die finanziellen Spielräume der Gemeinden gegenüber dem Vorkrisenniveau halbiert. Dennoch wurde weiterhin investiert – insbesondere in Kinderbetreuung und Bildung. Die Schattenseite: eine steigende Verschuldung. Die Finanzierung der kommunalen Daseinsvorsorge ist deutlich schwieriger geworden.
Halbierte Spielräume – Was steckt dahinter?
Der Überschuss aus der operativen Gebarung – also dem laufenden Haushalt ohne Investitionen – sank 2023 auf rund 1,6 Mrd. Euro. Das bedeutet eine Halbierung im Vergleich zum Vorjahr. Steigende Ausgaben – etwa für Personal (+11 Prozent) und Betrieb (+9 Prozent) – trafen auf sinkende Ertragsanteile (-2 Prozent) und eine unterdurchschnittliche Entwicklung der eigenen Abgaben (+6 Prozent) und Gebühren (+7 Prozent). Zugleich stiegen die Um lagen an die Länder um 8 Prozent, was die finanzielle Belastung weiter erhöhte. Viele Gemeinden rutschten damit in die Kategorie der sogenannten „Abgangsgemeinden“ (negative Freie Finanzspitze): Sie konnten ihre laufenden Ausgaben nicht mehr aus eigener Kraft decken.
Mittelgroße Gemeinden haben gerade noch ein ‚Genügend‘ bei der Freien Finanzspitze. Alle anderen sind im Durchschnitt bereits Abgangsgemeinden.
Investitionen 2023 noch hoch
Trotz knapper Mittel investierten Österreichs Gemeinden im Jahr 2023 rund 4,5 Mrd. Euro (ohne Wien). Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Plus von 13 Prozent. Damit wurden absolut sogar mehr Mittel eingesetzt als 2019 – dem letzten Vorkrisenjahr. Erreicht wurde dieses Niveau aber nur dank Kapitaltransfers von Ländern und Bund (v. a. das Kommunale Investitionsprogramm 2023), Rücklagenabbau und Darlehensaufnahmen.
Zu betonen ist, dass kommunale Investitionen auf finanzielle Engpässe in der Regel zeitverzögert reagieren. Angesichts der kritischen Aussichten für die Gemeindefinanzen in den nächsten Jahren ist es daher fraglich, ob das Investitionsniveau gehalten werden kann.
Steigende Verschuldung 2023: Beginn eines neuen Trends?
Während die Investitionen zulegten, reichte der operative Überschuss nicht mehr aus, um sie zu finanzieren. Die Folge: eine stärkere Inanspruchnahme von Krediten. Der Saldo der Finanzierungstätigkeit – also die Differenz zwischen aufgenommenen und getilgten Darlehen – lag 2023 bei +362 Mio. Euro Nettoneuverschuldung und war damit dreimal so hoch wie im Vorjahr. Noch sind die Schulden im Verhältnis zum BIP stabil, doch erste Warnzeichen mehren sich. Sollten sich die operativen Spielräume weiter verschlechtern, könnte sich die bislang stabile Verschuldungssituation grundlegend ändern.

Bildung und Kinderbetreuung: Dauerläufer mit hohem Tempo
Die dynamischsten Ausgabenbereiche bleiben Bildung und Elementarpädagogik. Die Nettobelastung – also der Zuschussbedarf – hat sich in der Kinderbetreuung in den letzten 10 Jahren mehr als verdoppelt (+115 Prozent), im Pflichtschulbereich betrug der Anstieg +73 Prozent. Dahinter stehen neben wachsender Nachfrage auch höhere Qualitätsansprüche, etwa steigende Betreuungsquoten, kleinere Gruppengrößen und längere Öffnungszeiten.
Fazit: Weniger finanzielle Spielräume, mehr Verantwortung
Das Jahr 2023 markierte einen tiefen Einschnitt in der kommunalen Finanzentwicklung. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 hat sich der Finanzierungsspielraum halbiert. Zugleich wurde weiter auf hohem Niveau investiert, besonders in Bildung und Kinderbetreuung. Diese widersprüchliche Entwicklung zeigt deutlich: Die Gemeinden stehen vor einem strukturellen Dilemma. Sie erfüllen zentrale gesellschaftliche Aufgaben und benötigen hohe Investitionen – während ihr finanzieller Spielraum zunehmend schrumpft.
Empfehlungen für nachhaltig stabile Gemeindefinanzen
Um die Gemeindefinanzen langfristig zu stabilisieren, braucht es strukturelle Reformen. Dies bedeutet eine Bundesstaats- und Finanzausgleichsreform, wie sie etwa auch im Regierungsprogramm 2025 angelegt ist. Dabei sollte an einer Transferreform (v. a. in Bezug auf Pflege und Krankenanstalten), an klaren Aufgabenzuordnungen (etwa bei Schulen oder Klimaschutz) und an einer stärker aufgabenorientierten Mittelverteilung gearbeitet werden. Zusätzliche Projekte wie das geplante zweite Gratiskindergartenjahr müssen finanzierbar bleiben und dürfen die Gemeinden nicht überfordern.
Daneben braucht es auch Effizienzsteigerungen auf Gemeindeebene, etwa durch interkommunale Kooperationen oder Gemeindefusionen, Prozessoptimierung und Aufgabenkritik. Kurzfristig scheinen jedoch finanzielle Unterstützungen durch Bund und Länder alternativlos, um die kommunale Daseinsvorsorge aufrechtzuerhalten. Besonders die Investitionstätigkeit der Gemeinden muss gesichert werden – auch im Hinblick auf soziale und ökologische Herausforderungen. Damit das gelingt, braucht es ein ausgewogenes Zusammenspiel aus verfügbaren Eigenmitteln, gezielter Investitionsförderung und tragbarer Verschuldung. Andernfalls
drohen übermäßige Schulden oder ein Rückgang kommunaler Zukunftsinvestitionen.