Das aktuelle Finanzausgleichsgesetz wurde jüngst – ohne Diskussionen und substanzieller Änderungen – bis Ende 2023 verlängert. Dies wird auch damit begründet, dass in Pandemiezeiten keine Priorität auf Veränderungen im Finanzausgleich gelegt werden soll. Der Finanzausgleich hat bei der Pandemiebekämpfung eine wichtige Rolle gespielt und die Finanzierung der Aufgaben von Bund, Ländern und Gemeinden grundsätzlich gewährleistet. Strukturelle Probleme wurden sichtbar. Nun wäre es Zeit, die Pandemiebewältigung im Finanzausgleich zu evaluieren und einen Reformprozess in Richtung eines stärker resilienten Finanzausgleichs aufzusetzen.
Tagungsband „Krisenfester Finanzausgleich“ erschienen
Im Juni 2021 diskutierten Expert*innen auf Einladung von KDZ und TU Wien auf der Impulskonferenz "Krisenfester Finanzausgleich" unterschiedliche Sichtweisen und Fragestellungen zum Finanzausgleich. Nun ist der Tagungsband mit den überarbeiteten Beiträgen der Expertinnen und Experten erschienen (Tabelle 1).
Zu Beginn des Bandes werden die Grundlagen der Resilienz und Instrumente zur Krisenbewältigung im Finanzausgleich behandelt. Ein zweiter Teil betrachtet den Ansatz eines krisenfesten Finanzausgleichs aus mehreren Perspektiven. Dies umfasst einerseits einen Fokus auf die Gebietskörperschaftsebenen, andererseits werden Aspekte wie Föderalismus, soziale Infrastruktur und der Demokratieaspekt betrachtet. In einem dritten Teil werden Schlussfolgerungen aus Sicht der Herausgeber*innen gezogen.
Mehr Krisenfestigkeit im Finanzausgleich
Basierend auf den Beiträgen der Referent*innen haben die Herausgeber*innen[KM1] (Peter Biwald, Johann Bröthaler, Michael Getzner, Karoline Mitterer) Schlussfolgerungen zur Weiterentwicklung des Finanzausgleichs in Richtung mehr Resilienz erstellt.
1. Ziele eines krisenfesten Finanzausgleichs klären
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es noch grundlegende Diskussionsbedarfe gibt und in weiterer Folge die Zielsetzungen eines krisenfesten Finanzausgleichs geklärt bzw. festgelegt werden müssen. Dies umfasst etwa die Fragestellung, inwieweit künftig die Schuldenbremse wiederhergestellt oder ob der Sicherung öffentlicher Investitionen höhere Priorität beigemessen werden soll (Priorisierung der Sicherung der Daseinsversorgung und der Anpassung an Krisen, z.B. der Klimakrise, gegenüber dem Festhalten an starren Verschuldungsgrenzen).
Insbesondere für die Gemeinden von hoher Relevanz ist die Frage nach der Gemeindeautonomie. Wieweit soll der Finanzausgleich in der Krise als Versicherungssystem (etwa über Hilfs-Transfers) wirken oder sollen/können die Gemeinden selbstständig Puffer für Krisen aufbauen?
2. Verschiedene Krisenarten berücksichtigen
Die Art der Krise bestimmt die eingesetzten Maßnahmen und Instrumente. So brauchen chronische Krisen andere Instrumente als akute Krisen. Als zwar leichter vorhersehbar, aber politisch schwieriger umsetzbar zeigen sich Anpassungen an chronische Krisen. Insbesondere braucht es hier mehr Flexibilität in den bestehenden Verteilungssystemen, wie dies etwa mit einem aufgabenorientierten Finanzausgleich umgesetzt werden konnte. Wie bekannt, sind bisherige Reformbemühungen jedoch gescheitert, da dadurch bestehende Verteilungsverhältnisse verändert werden.
Noch offen ist daher die Festlegung, welche Krisenarten (z.B. Demografie, Wirtschaftskrisen, Klimawandel) bei der künftigen Entwicklung des Finanzausgleichs stärker berücksichtigt werden sollen. In diesem Zusammenhang wären Resilienzstrategien und die Festlegung von Instrumenten zur Risikoabwägung wichtig.
3. Resilienz der Gemeindefinanzen stärken
Durch die Pandemie haben sich auch Probleme in der Sicherstellung der Finanzierung der Daseinsvorsorge gezeigt, weshalb mehrere Hilfspakete für Gemeinden geschnürt werden mussten. Die Resilienz – daher die Krisenfestigkeit – der Gemeindefinanzen war eingeschränkt. Um künftig die Krisenbewältigung der Gemeinden zu verbessern, braucht es dabei einen ganzheitlichen Blick auf die Resilienz der Gemeindefinanzen. Dies umfasst insbesondere auch die Umsetzung längst fälliger Reformen wie etwa die Grundsteuerreform, eine stärkere Aufgabenorientierung im Finanzausgleich oder eine Transferentflechtung und -reduktion.
Strukturierte Evaluierung der Finanzausgleichs-Instrumente zur Krisenbewältigung noch vor den nächsten Finanzausgleichsverhandlungen
Die Verlängerung des Finanzausgleichsgesetz sollte genutzt werden, um Reformen im Finanzausgleich bis Ende 2023 vorzubereiten. Um zukünftige Krisen besser bewältigen zu können, wird eine strukturierte Evaluierung des Finanzausgleichs empfohlen. Ziel sollte eine Evaluierung der Wirksamkeit der Vorsorge- sowie der eingesetzten Kriseninstrumente sein. Dabei sollte der Fokus nicht nur auf dem Finanzausgleichsgesetz, sondern auch auf weitere Finanzierungsverflechtungen zwischen den Gebietskörperschaften gelegt werden.
Wünschenswert wäre jedenfalls, möglichst rasch einen koordinierten Prozess (Abbildung 1) zu starten, um den Aspekt der Resilienz im Finanzausgleich zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Jedenfalls sollte die Resilienz Thema bei den nächsten Finanzausgleichsverhandlungen (bis Ende 2023) sein.
Die seit Langem sichtbare politische Hartnäckigkeit gegenüber Reformen im Finanzausgleich liegt in hohem Maße auch an den bestehenden Strukturen und Prozessen der Mehr-Ebenen-Steuerung. Die Finanzausgleichsverhandlungen sind geprägt von unterschiedlichen und teils konträren Interessen und den dadurch entstehenden Blockaden. Durch Veränderungen im Finanzausgleichsverhandlungsprozess könnte dies zumindest abgemildert werden. So geht es etwa um vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den Verhandlungspartnern, den gleichen Zugang zu Informationen etc.
Die Publikation kann über den NWV-Verlag erworben werden.
Eine Kurzfassung der Tagungsergebnisse kann im folgenden Beitrag am KDZ-Blog nachgelesen werden.