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Gemeindeinsolvenz – ein realistisches Szenario?

Die finanzielle Situation vieler Gemeinden in Österreich ist seit Jahren prekär. Angesichts steigender Ausgaben und sinkender Einnahmen geraten immer mehr Städte und Gemeinden in eine finanzielle Schieflage, die sie kaum noch bewältigen können. Die Gemeindeinsolvenz, ein lange als unvorstellbar geltendes Szenario, ist für einige Gemeinden inzwischen eine reale Bedrohung geworden.

Dieser Beitrag beleuchtet die die rechtlichen Rahmenbedingungen einer möglichen Insolvenz und zeigt, welche Maßnahmen notwendig sind, um das Haftungsrisiko zu minimieren.

Wann spricht man von einem Insolvenzverfahren

Ein Insolvenzverfahren ist ein gesetzlich geregeltes Verfahren, das eingesetzt wird, wenn eine Person, ein Unternehmen oder eine juristische Person (wie eine Gemeinde) zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Ziel des Verfahrens ist es, die Gläubiger durch eine geordnete Verwertung des Vermögens des Schuldners bestmöglich zu befriedigen und dem Schuldner eine Chance auf einen finanziellen Neuanfang zu bieten.

Dabei wird zwischen mehreren Verfahrensarten differenziert, welche jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen. Dazu zählen das Konkursverfahren sowie das Sanierungsverfahren ohne oder mit Eigenverwaltung. Noch vor der Einleitung dieses förmlichen Verfahrens besteht die Möglichkeit eines außergerichtlichen Ausgleichs.

Zur Insolvenzantragspflicht

Ein Konkursverfahren ist entweder auf Antrag des Schuldners oder auf Antrag eines Gläubigers zu eröffnen. Dabei ist der Schuldner zur Konkursantragsstellung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, wenn Konkursantragsgründe vorliegen. Es besteht eine Höchstfrist von 60 Tagen.Spätestens nach Ablauf dieser Frist ist ein Insolvenzantrag zu stellen.

Wann liegen die Konkursantragsgründe vor?

Das Insolvenzrecht kennt zwei Tatbestände, bei deren Verwirklichung die Stellung eines Konkursantrages verlangt wird, nämlich die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung.

Nach herrschender Auffassung liegt Zahlungsunfähigkeit dann vor, wenn der Schuldner mangels bereiter Zahlungsmittel nicht in der Lage ist, (alle) seine fälligen Schulden zu bezahlen und sich die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich auch nicht alsbald verschaffen kann. Dabei sind nach der neueren Rechtsprechung Verzögerungen von in der Regel bis zu etwa drei Monaten als bloße Zahlungsstockung zu betrachten; geringfügige Deckungslücken bis fünf Prozent sind unschädlich.

Von der Zahlungsunfähigkeit ist die Überschuldung zu unterscheiden. Nach der Rechtsprechung liegt Überschuldung dann vor, „wenn das nach Liquidationswerten zu bewertende Vermögen des Betroffenen zur Befriedigung der Gläubiger im Liquidationsfall unzureichend ist und darüber hinaus eine positive Fortbestehensprognose für das Unternehmen nicht erstellbar ist“. Nach herrschender Ansicht stellt die Zahlungsunfähigkeit bei Gemeinden aber keinen Konkursantragsgrund dar. Aus Vorsichtsgründen wir dennoch im Anlassfall eine Abklärung mit Experten empfohlen.

Welche Folgen hat ein Insolvenzverfahren?

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gemeinde bringt weitreichende Folgen mit sich. Festgehalten werden kann, dass der Bestand der Gemeinde als Gebietskörperschaft nicht gefährdet ist. Weiters wird das für die verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich vorgesehene Aufgabenerfüllung notwendige Vermögen der Gemeinde dem Zugriff entzogen sein. Das gleiche gilt für finanzielle Leistungen, die direkt oder indirekt auf Grund bundes- oder landesgesetzlicher Bestimmungen aus Steuererträgnissen zu erbringen sind. 

Betroffen wären allerdings alle Zahlungen und Leistungen, die nicht bei sparsamster Wirtschaftsführung der Erfüllung von gesetzlichen Pflichten entsprechen, das heißt, alles, was freiwillig erbracht wird. Generell steht die Entscheidung über die Frage, welche Vermögenswerte im öffentlichen Interesse nicht dem Insolvenzverfahren unterliegen, den „staatlichen Verwaltungsbehörden“, also Bund und Ländern, zu.

Welche Pflichten haben Gemeindemandatar: innen, wenn das Geld ausgeht?

Als erster Schritt sollte ein Monitoring eingerichtet werden, um (allenfalls unter Beiziehung von Experten) zu prüfen, ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Generell sollte eine Zurückhaltung bei Ausgaben geübt und sämtliche Ausgaben mit der Aufsichtsbehörde abgestimmt werden.

Liegt tatsächlich eine Zahlungsunfähigkeit vor, muss unverzüglich über einen außergerichtlichen Ausgleich bzw. einen Sanierungsplan beraten und als ultima ratio fristgerecht der Insolvenzantrag beim zuständigen Landesgericht gestellt werden.

Welche Haftungsrisiken bestehen für Mandatar:innen?

Für Gemeindefunktionäre besteht ein Haftungspotenzial, wenn bei Vorliegen von Konkursantragsgründen nicht unverzüglich ein Insolvenzverfahren beantragt wird, da unter Umständen der Tatbestand der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen verwirklicht werden könnte. Darüber hinaus darf das Haftungsrisiko wegen Konkursverschleppung nicht unerwähnt bleiben, da die organschaftlichen Vertreter einer Gemeinde bei unterlassenem Konkursantrag, trotz Vorliegens von Konkursantragsgründen, für den eingetretenen Schaden zivilrechtlich verantwortlich sind.

Es zeigt sich daher zusammengefasst, dass die in der Insolvenzordnung vorgesehenen Konkursantragspflichten auch von der Gemeinde ernst zu nehmen sind. Aufgrund der strengen Judikatur besteht auch für die Gemeindeorgane die Gefahr, persönlich zivilrechtlich für den bei den Gläubigern entstandenen Schaden in Anspruch genommen zu werden.

 

Literatur 

Gemeindeinsolvenz in Kodek (HrsG) Schriftenreihe Recht und Finanzen für Gemeinden [RFG] Band 02/2020.

 

Milluks Kerstin
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