
Während der offizielle Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden regelmäßig verhandelt wird, vollzieht sich eine zweite, schleichende Entwicklung: der „Graue Finanzausgleich“. Gemeint sind Verschiebungen finanzieller Lasten – etwa durch neue Aufgaben oder kontinuierliche Einnahmenverluste – die den Gemeinden ohne adäquate Kompensation übertragen werden. Eine Studie des KDZ für den Städtebund der Landesgruppe Tirol konnte den Grauen Finanzausgleich am Beispiel der Tiroler Städte und Gemeinden nun sichtbar machen.
Der unsichtbare Graue Finanzausgleich
Steuerreformen, hohe Umlagen und die Übertragung zusätzlicher Aufgaben ohne angemessene finanzielle Kompensation schränken die finanziellen Spielräume ein, bleiben jedoch oftmals unsichtbar. Diese Entwicklungen können dem Bereich des „Grauen Finanzausgleichs“ zugeordnet werden. Dabei handelt es sich einerseits um Regelungen des Bundes und/oder der Länder, die zu finanziellen Belastungen ohne eine entsprechende finanzielle Abgeltung führen. Andererseits finden sich hier kontinuierliche Entwicklungen (z. B. Demografie), die allmählich zu Verschiebungen der Finanzierungslast zwischen den Gebietskörperschaftsebenen führen.
Diverse Maßnahmen und Entwicklungen wirken sich auf die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden aus. Besonders ins Gewicht fallen dabei die Ertragsanteilsverluste durch Steuerreformen und Entlastungspakete ohne Gegenfinanzierung sowie der Einnahmenausfall durch die seit Jahrzehnten nicht reformierte Grundsteuer. Auch der überproportionale Anstieg der Umlagen belastet die Gemeindefinanzen deutlich. Zwar standen den Gemeinden auch zusätzliche Mittel aus dem Finanzausgleich 2024, dem Gemeindepaket 2024 und aus den Kommunalen Investitionsprogrammen des Bundes zur Verfügung, diese reichen jedoch bei weitem nicht aus, um die entstandenen finanziellen Mehrbelastungen auszugleichen.
Mehr Aufgaben führen zu steigender Belastung
Die Analyse der Gemeindefinanzen im Kontext des Grauen Finanzausgleichs zeigt mehrere strukturelle Problemfelder mit negativen finanziellen Folgen für die Städte und Gemeinden. Eine zentrale Herausforderung ist die kontinuierliche Schwächung der kommunalen Einnahmenbasis – verursacht durch die ausbleibende Grundsteuerreform, stark steigende Umlagen, sinkende Nutzerfinanzierung und die Auswirkungen jüngster Steuerreformen.
Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an die Gemeinden, insbesondere in den Bereichen Pflichtschule, Elementarpädagogik, Pflege und Klimaschutz. Bundesweite Zielsetzungen und Ausbauprogramme führen zwar zu punktuellen Unterstützungen, doch fehlen vielerorts tragfähige und dauerhafte Regelfinanzierungen. Besonders im Bereich der Elementarpädagogik und der Ganztagsschulen bestehen große Finanzierungslücken, ebenso wie im Bereich des Klimaschutzes und der Klimawandelanpassung, für welche derzeit kaum geeignete langfristige Investitionsinstrumente zur Verfügung stehen. Zusätzliche Finanzierungsinstrumente wie der Zukunftsfonds bringen Linderung, können das grundsätzliche Problem jedoch nicht lösen.

Der wachsende Investitionsbedarf trifft dabei auf zunehmend eingeschränkte Spielräume: Finanzielle Engpässe, kurzfristige Förderlogiken und Planungsunsicherheit durch befristete Programme behindern den notwendigen Ausbau öffentlicher Infrastruktur. Darüber hinaus wirkt der Personalmangel – etwa in Pflege und Kinderbetreuung – als weiterer limitierender Faktor. Das bestehende Transfersystem ist zudem kaum auf Wirkungen oder Aufgaben ausgerichtet: Eine rein finanzkraftorientierte Verteilung konserviert bestehende Strukturen und berücksichtigt zentrale Versorgungsfunktionen von Städten nicht ausreichend. Dadurch bleiben wichtige Effizienzpotenziale und strategische Zielsetzungen – etwa Klimaziele, Investitionsoffensiven oder die Förderung interkommunaler Zusammenarbeit – weitgehend ungenutzt.
Empfehlungen für eine Entlastung der Gemeindefinanzen
Die in der Studie ausgeführten Empfehlungen des KDZ zielen auf eine Entlastung der Gemeindefinanzen ab. Diese sollten dabei an mehreren Stellen ansetzen. Ein zentraler Aspekt wird die Entlastung bei den Umlagen sein. Hier gilt es, die Dynamik der Umlagen zu reduzieren, um wieder Spielräume zur Finanzierung der kommunalen Daseinsvorsorge zu erreichen. Gelingt eine Reduktion des Anteils der Gemeinden an den Landesaufgaben nicht, wäre alternativ eine Stärkung der Mitsprachemöglichkeiten der Gemeinden in den Aufgabenfeldern Soziales und Krankanstalten notwendig, um die Finanzierungs- und Aufgabenverantwortung zusammenzuführen.
Eine ausreichende Abgeltung von Aufgabenübertragungen sollte eine Selbstverständlichkeit sein. So braucht es etwa die mit dem Finanzausgleich 2024 geplante Übertragung des sonderpädagogischen Personals bei Ganztagsschulen an die Länder, um die Gemeinden hier zu entlasten. Ähnliche Entflechtungen wären auch bei sonderpädagogischem Personal in der Elementarpädagogik zweckmäßig. Auch bei der Pflichtschule übernehmen die Gemeinden mehrfach Aufgaben, welche über ihre Rolle als Schulerhalter hinausgehen.
Darüber hinaus geht es jedoch auch darum, die bestehenden Mittel möglichst effizient einzusetzen. Dies kann durch eine Stärkung der Aufgabenorientierung erreicht werden. Dies wäre nicht nur im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes hilfreich, sondern insbesondere auch bei den Gemeinde-Bedarfszuweisungen. Die Berücksichtigung von Sonderlasten von Städten sowie von Zentrumslasten im Transfersystem wäre hier ein wichtiger Schritt. Ebenso wie die Stärkung von Effizienz und Treffsicherheit von Gemeinde-Bedarfszuweisungen. Hohes Potenzial ist hier auch durch die stärkere Förderung von Gemeindekooperationen und -fusionen zu erwarten.
In Summe wird daher eine Neuausrichtung des landesinternen Transfersystems hin zu mehr Aufgabenorientierung und Effizienz, basierend auf einer umfassenden Wirkungsanalyse, die auch Zielerreichung und Anreizwirkungen einbezieht.
Fazit: Reformbedarf auf mehreren Ebenen
Der Graue Finanzausgleich ist ein strukturelles Problem, wodurch es zu einer zwar schwer sichtbaren, aber dennoch bedeutenden Belastung der Gemeindefinanzen kommt. Ohne systemische Reformen – etwa durch eine stärkere Aufgabenorientierung im Transfersystem oder eine Entflechtung der Finanzierungsverantwortung – droht eine weitere Erosion kommunaler Handlungsfähigkeit. Dabei braucht es punktuellen Entlastungen, sondern eine strukturelle Neuausrichtung der Finanzbeziehungen zwischen Gemeinden, Ländern und Bund – mit mehr Transparenz, Fairness und Planbarkeit.