
Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Die Liste der Mangelberufe wird aktuell immer länger und gleicht immer mehr einem Brief ans Christkind. Um dennoch neue Kolleg*innen zu finden und die zunehmende Lücke zu schließen, die nicht zuletzt auch die Babyboomer mit ihrem Wechsel in die Pension aufreißen, überbieten sich öffentliche wie private Arbeitgeber*innen mit immer spektakuläreren Angeboten und Incentives. Haben vor Jahren vielleicht noch ein Korb mit knackigen Äpfeln, ein Parkplatz am Arbeitsplatz oder der Gratiskaffee zu einer Bewerbung motiviert, so bewegen sich die Lockangebote in schier lichte Höhen. Derzeit sehr populär die 4-Tage-Woche (am besten mit vollem Lohnausgleich), neuerdings – weil auch die 4-Tage-Woche kein Erfolgsgarant mehr zu sein scheint – legen einzelne Arbeitgeber*innen noch eins drauf und werben mit weitreichend individuellen Arbeitszeitmodellen.
All das ist im Grunde gut und richtig. Aber die Diskussion über solche Attraktivitätsfaktoren verdeckt etwas, das für das Arbeiten sehr viel essentieller ist. Klar, wenn es damit gelingt, jemanden für die eigene Organisation zu interessieren, ist das wichtig und gut. Damit diese Kolleg*in dann aber Ihre Aufgaben mit Interesse und einer gewissen Hingabe verrichtet und jeden Tag gerne zur Arbeit kommt (und nicht nur auf das Ende der 4-Tage-Woche schielt), braucht es mehr. Das Schlüsselwort hier ist „Sinn“: Wofür sind wir da? Warum braucht es mich/uns? Wie wäre es in dieser Welt, wenn wir uns nicht jeden Tag aufs Neue ans Werk machen? Zwar plakatieren inzwischen einzelne Arbeitgeber*innen ihre Ausschreibungen mit dem Label ‚Arbeit mit Sinn‘. Aber durch das alleinige Nennen des Begriffs, wird der Sinn der Arbeit nicht erlebbar.
Die Stadt Braunau hat 2022 einen anderen Weg eingeschlagen und über die Frage nach dem Sinn in der Arbeit – der Fachterminus im Personalmanagement ist hier Purpose – im Rahmen des Employer Brandings gearbeitet. Das war ein sehr produktiver Prozess. Allein die Diskussion über die Zweckbestimmung der Organisation und den individuellen Beitrag einer jeden/eines jeden hat die Menschen im Dialog zusammengebracht und spannende Potenziale in den Teams sichtbar werden lassen. Deutlich geworden ist aber gleichzeitig auch, was es persönlich bedeutet, wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden.
Am Ende des Prozesses in Braunau mag man eine ambivalente Haltung zu den pointierten Purpose Aussagen haben. Über den Tag hinaus konnte die emotionale Kraft der Statements wirksam werden und ein neues Bewusstsein in den Beschäftigten Platz gefunden haben. Dann ist man dem Wort Beruf wieder ein Stück nähergekommen. Der Beruf ist dann nicht nur ein Job, sondern ein wenig mehr Berufung und aus der täglichen Arbeit erwächst Stolz darüber, was es bedeutet, gerade für diese Stadt und die dort lebenden Menschen arbeiten zu können und zu dürfen.
Für weitere Fragen steht Ihnen der Autor sehr gerne zur Verfügung.