Die bisher kameralistische Betrachtung der Gemeindefinanzen wurde im Jahr 2020 erheblich erweitert. Die Rechnungsabschlüsse und Voranschläge beinhalten neben einem Finanzierungshaushalt, wo alle Zahlungsströme ersichtlich sind, nun zum zweiten Jahr in Folge auch einen Ergebnis- und Vermögenshaushalt. Alle drei Haushalte zusammen liefern wertvolle Informationen für den Gesamtblick auf die finanzielle Situation der Gemeinden.
Gemeinden melden jährlich ihre Finanzdaten nach einem standardisierten Schema auf Basis der VRV 2015 der Statistik Austria ein. Dies ermöglicht eine fundierte Analyse, die im Gemeindefinanzbericht des Österreichischen Städtebundes vom KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung dokumentiert wird. Neben der Betrachtung im Zeitverlauf werden auch sämtliche Finanzdaten nach Einwohner*innen-Klassen (EW-Klasse) und Bundesländern gegenübergestellt. Dies zeichnet ein spannendes Bild und ist die Grundlage für evidenzbasierte Handlungsempfehlungen, um die kommunale Daseinsvorsorge auch in Zukunft abzusichern.
Die jährliche Publikation knackte zum ersten Mal die 100-Seiten-Marke. In diesem Beitrag werden einzelne zentrale Erkenntnisse und die wichtigsten Kapitel kurz vorgestellt.
Finanzierungshaushalt: Der Cashflow der Gemeinden
Im Finanzierungshaushalt ist es aufgrund der Überleitung kameraler Daten möglich, die Ein- und Auszahlungen aller Gemeinden (ohne Wien) im Zeitverlauf zu betrachten. Im Jahr 2021 überstiegen die gesamten Einzahlungen die Auszahlungen der Gemeinden, somit konnten liquide Mittel wieder etwas aufgebaut werden. Dies war im Pandemiejahr 2020 nicht der Fall.
Ein Großteil der Einzahlungen, genau genommen 37 Prozent, kommen von Bürger*innen und Unternehmen. Darunter fallen insbesondre Einnahmen aus eigenen Steuern (v.a. Kommunalsteuer), Gebühren und Leistungsentgelten (z.B. Kindergartenbeiträge). In etwa gleich hoch sind die Einzahlungen vom Bund durch die Ertragsanteile und Transferzahlungen. Weitere 10 Prozent kommen von den Ländern. Vor allem die Ertragsanteile und Transferzahlungen sind gegenüber dem Vorjahr stark angestiegen.
Die größten Auszahlungsbereiche betreffen die kommunale Daseinsvorsorge, den Pflichtschul- und den Kinderbetreuungsbereich. Vor allem die letzteren zwei, subsummiert unter Bildung, haben in den letzten 10 Jahren um 59 Prozent zugelegt. Dies ist vor allem auf die Ausbaubemühungen im Bereich der Ganztagsschulen und im Leistungsangebot der Kinderbetreuung zurückzuführen. Auch der vermehrte Personalaufwand schlägt sich hier nieder, im Bereich Bildung übersteigen die Personalauszahlungen sogar die der allgemeinen Verwaltung.
Allgemein sind kommunale Investitionen markant gestiegen, seit 2012 um 84 Prozent (mit einem Einbruch im Pandemiejahr 2020). Hierzu haben die kommunalen Investitionsprogramme 2017 und 2020 stark beigetragen. Insgesamt tätigten die Gemeinden 2021 rund 26 Prozent aller öffentlichen Investitionen. Dabei ist hervorzuheben, dass die Gemeinden im Vergleich zu den anderen Gebietskörperschaften im Verhältnis zu ihren Einnahmen aus dem Finanzausgleich vergleichsweise viel investieren und damit ein zentraler öffentlicher Investor sind.
Wird für die Analyse die Nettobelastung herangezogen, das sind die Auszahlungen abzüglich der Einzahlungen (ohne Darlehensbewegung), dann sind größere Städte ab 10.000 Einwohner*innen insgesamt stärker belastet. Das bedeutet, dass diese Städte verstärkt auf allgemeine Steuermittel zurückgreifen müssen, um ihre Leistungen zu finanzieren. Deutlich hebt sich hier im 10-Jahres-Vergleich wieder der Bereich Kinderbetreuung ab, mit einer Steigerung von 80 Prozent für alle Gemeinden (ohne Wien).
Ergebnishauhalt: Die Ertrags- und Aufwandsstruktur der Gemeinden
Der Ergebnishaushalt zeigt in seiner Essenz, ob sich die Gemeinde die Abschreibungen als wesentlichen Aufwandsposten des beträchtlichen Anlagevermögens „leisten“ kann. Damit kommt man in einzelnen Aufgabenbereichen der Kostenwahrheit näher als bisher. Das Nettoergebnis, das sind Erträge abzüglich Aufwendungen, fließt in das Nettovermögen (sprich Eigenkapital) ein. Im Jahr 2021 waren auch die Nettoergebnisse besser als im ersten Pandemiejahr.
Die Ertragsstruktur selbst hängt stark von der Gemeindegröße ab. Während größere Städte mehr Kommunalsteuer und Ertragsanteile je Einwohner*in erhalten, um ihren Aufwand im Rahmen der regionalen Versorgungsfunktion zu decken, weisen die kleinsten Gemeinden unter 2.500 EW höhere Transfererträge pro Kopf aus.
Die Aufwandsstruktur zeigt höhere Personalkosten und Transferaufwendungen pro Kopf bei größeren Städten. Dies ist damit zu erklären, dass Gemeinden ab einer bestimmten Größe ein umfangreicheres Aufgabenportfolio zu bewältigen haben als kleinere Gemeinden, wodurch auch mehr Personal benötigt wird. Umgekehrt werden beim Sachaufwand Unterschiede nach EW-Klassen in der Infrastrukturerhaltung deutlich. Bei Kleinstgemeinden sind vor allem Abschreibung und Instandhaltung für verhältnismäßig wenige Einwohner*innen zu tragen. Umgelegt auf alle Gemeinden machen die Abschreibungen 30 Prozent des Sachaufwands aus. Grundsätzlich in den Daten nicht erfasst sind ausgelagerte Einheiten, z.B. Verbände und Beteiligungen, die sich dann nicht im Sachaufwand niederschlagen, sondern vor allem bei größeren Städten im Transferaufwand.
Im Bundesländervergleich zeichnet sich ein West-Ost-Gefälle bei den Erträgen ab (im Westen höhere Erträge), während die Aufwandsstruktur aufgrund der nach Bundesland unterschiedlichen rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen je nach Land unterschiedlich ausfällt.
Vermögenshaushalt: Die Bilanz der Gemeinden
Das Vermögen stellt die Substanz dar, die die Gemeinde zu erhalten hat, in Summe 87 Mrd. Euro. Dem Vermögen werden das Eigenkapital (Nettovermögen), Investitionszuschüsse und Fremdmittel gegenübergestellt. Dies ermöglicht einen Überblick, wie das Gemeindevermögen letztendlich finanziert wurde.
Dreiviertel des Vermögens sind in Österreichs Gemeinden in Form von Sachanlagen der Daseinsvorsorge gebunden (Straßen, Schulgebäude, Kanalnetze etc.). Dieses langfristige Vermögen ist fast zur Gänze auch mit langfristigem Kapital (Eigenmittel und langfristige Schulden) gedeckt. Sehr positiv zu werten ist, dass dem Gesamtvermögen Eigenmittel in Höhe von 64 Mrd. Euro gegenüberstehen. Das sind 74 Prozent des Vermögens, die aus „eigener Kraft“ finanziert wurden.
Das langfristige Vermögen zeigt nach EW-Klassen eine signifikant höhere Kopfquote bei den kleineren Gemeinden bis 500 EW. Hier ist zu erwähnen, dass verstärkt Tourismusgemeinden mit hohen Infrastrukturbedarfen vertreten sind. Im Bundesländervergleich weisen die Gemeinden in den westlichen Bundesländern Tirol und Vorarlberg fast doppelt so hohe Vermögenswerte pro Kopf aus als die Gemeinden aus den Bundesländern Kärnten und Steiermark.
Im Vermögenshaushalt sind auch die Rücklagen ersichtlich, die Reserven für Investitionen sozusagen. Diese haben sich nach einem Rückgang 2020 (zum Teil auch der Haushaltsreform geschuldet) im Jahr 2021 ebenfalls leicht erholt und liegen bei knapp 2 Mrd. Euro.
Nachdem die Verschuldung der Gemeinden bis 2019 grundlegend stabil geblieben ist, erhöhten sich die Schuldenstände in den Krisenjahren 2020 und 2021 deutlich. Im Zuge der Pandemie wurden die
Vorgaben im Rahmen des Österreichischen Stabilitätspaktes außer Kraft gesetzt, sodass sich die Gemeinden stärker verschulden konnten als in den Vorjahren. Während dies im Jahr 2020 deutlich genutzt wurde, fiel der Anstieg im zweiten Krisenjahr 2021 mit 1,4 Prozent auf 13,1 Mrd. Euro deutlich moderater aus.
Sonderkapitel: Klimaschutzinvestitionen
Städte und Gemeinden können wesentlich dazu beitragen, die gesetzten Ziele zur Bewältigung der Klimakrise zu erreichen. Hierzu sind bedeutende Investitionen notwendig, etwa in die thermische Sanierung, die Umstellung der Heizsysteme oder in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Damit dies gelingen kann, braucht es koordiniertes Handeln und ausreichend finanzielle Mittel.
Gemäß einer Schätzung des Umweltbundesamtes belaufen sich die notwendigen Investitionen für die Klima- und Energiewende auf rund 145 Mrd. Euro bis 2030 bzw. auf 14 bis 19 Mrd. Euro pro Jahr. Derzeit beträgt der Anteil der öffentlichen Investitionen an den gesamten Bruttoinvestitionen in etwa 10 Prozent; davon tragen wiederum die Gemeinden 25 bis 30 Prozent. Die Aufgabenfelder lassen jedoch erwarten, dass hier hohe Investitionen der öffentlichen Hand notwendig sind, insbesondere im Verkehrssektor.
Um diese Investitionsbedarfe in Zukunft zu stemmen, empfiehlt das KDZ folgende Lösungsansätze:
- Rahmenbedingungen der Gemeindeebene evaluieren und verbessern, um Verantwortlichkeiten, Finanzierung und Kapazitäten zu klären („Klima-Governance“).
- Geeignete Finanzierungsinstrumente für Klimaschutz und Klimawandelanpassung durch institutionalisierte Strukturen schaffen, um Planungssicherheit und Investitionskraft der Städte und Gemeinden zu gewährleisten (z.B. durch Einrichten eines Klima-Investitionsfonds).
- Finanzielle Spielräume der Gemeinden für Klimainvestitionen durch einen höheren Anteil am vertikalen Schlüssel der gemeinschaftlichen Bundesabgaben und durch Stärkung der gemeindeeigenen Abgaben absichern.
Ausblick
Obwohl die Jahre 2021 und 2022 eine deutliche Erholung gegenüber dem Pandemiejahr 2020 gebracht haben, zeigt die mittelfristige Prognose ein wenig optimistisches Bild. Aufgrund der Steuerreformen bleibt die Einnahmenentwicklung verhalten und sie kann mit der starken inflationsgetriebenen Ausgabenentwicklung nicht mithalten. Es ist damit zu rechnen, dass die operativen Spielräume der Gemeinden mittelfristig um ein Drittel unter dem Vor-Krisenniveau 2019 liegen werden.
Neben hohen Investitionsbedarfen in der Kinderbetreuung und für Klimaschutz und Klimawandelanpassung ist die Absicherung der Finanzierung der kommunalen Daseinsvorsorge insgesamt eine große Herausforderung. Das aktuelle kommunale Investitionsprogramm 2023 ist hierbei sicher ein wichtiges Instrument. Angesichts der kritischen mittelfristigen Entwicklung der Gemeindefinanzen braucht es jedoch eine konstante Finanzierbarkeit der kommunalen Daseinsvorsorge. Anschubfinanzierungen alleine reichen nicht, sondern es braucht auch die entsprechenden Spielräume im laufenden Betrieb.
Da in den nächsten Jahren die Anzahl an Abgangsgemeinden wieder steigen wird, wird es erneut Lösungen zur Liquiditätssicherung brauchen. Mittelfristig sollte die Absicherung der Finanzierbarkeit der kommunalen Daseinsvorsorge ein Ziel sein, wie dies etwa auch der Fiskalrat empfohlen hat. Die aktuellen Finanzausgleichsverhandlungen bieten hier das Potenzial, den Gemeinden mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, welche sie angesichts der hohen Dynamik in wichtigen Aufgabenbereichen – wie insbesondere Kinderbetreuung, Soziales und Gesundheit – brauchen werden können. Insgesamt wird jedoch kein Weg daran vorbeiführen, die finanziellen Spielräume durch Reformen zu erhöhen. Hier braucht es ein zwischen den Gebietskörperschaften abgestimmtes Gesamtkonzept, welches einerseits Investitionen in Zukunftsbereiche ermöglicht, andererseits strukturelle Reformen zur langfristigen Absicherung der fiskalischen Nachhaltigkeit enthält.
Dieser Gemeindefinanzbericht bietet die entsprechenden Datengrundlagen für den weiteren Diskurs.