Schon seit Jahren hat sich abgezeichnet, dass der demographische Wandel (Stichwort: „die Baby-Boomer gehen in großer Zahl in Pension“), die veränderten Anforderungen – vor allem der jüngeren Mitarbeiter*innen – an das Arbeiten und an die stetig wachsende Konkurrenz am Arbeitsmarkt (alle Unternehmen buhlen um die besten Köpfe) die kommunalen Arbeitgeber*innen herausfordern wird.
Inzwischen sind diese damaligen Erwartungen im Alltag von immer mehr Städten und Gemeinden angekommen. Qualifiziertes Personal in der erforderlichen Zahl für sich zu gewinnen, wird immer schwieriger und Personalmanagement als Aufgabe immer herausfordernder. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich einige dieser Herausforderungen, wie wir sie in unserer Werkstatt Personal mit inzwischen zwölf Städten gemeinsam erörtert haben, berichten. An diesen Themen lässt sich recht gut die große Bandbreite der aktuellen Handlungserfordernisse aber auch die potenziellen Entwicklungsfelder im Personalmanagement der Kommunen ablesen.
Die öffentliche Verwaltung kann im Wettbewerb um Arbeitskräfte mit Sinnversprechen (Purpose) enorm punkten.
New Work – Homeoffice: gekommen, um zu bleiben
Zu Beginn der Corona-Pandemie aus der Not geboren, werden Homeoffice und hybrides Arbeiten inzwischen nicht mehr grundsätzlich infrage gestellt. Auch wenn dieses Konzept nicht in allen Aufgabenbereichen der Kommunen gleichermaßen umsetzbar ist, so zählt diese neu gewonnene Flexibilität (der Digitalisierung sei Dank) inzwischen auch zu den Standardanforderungen von Stellenbewerber*innen. Im Microsoft Work Trend Index 2021 wünschen sich fast drei Viertel der befragten Mitarbeiter*innen so genannte „Remote-Arbeit“ – also eine flexible Arbeitsweise zwischen Büro und Homeoffice.
Nach dem Motto „arbeiten, wo und wann ich möchte“ ist das Thema Homeoffice nur eine Facette einer breiten Diskussion, die unter dem Titel „New Work“ unterschiedliche Organisationsaspekte zusammenfasst. Da geht es um neue Formen der Arbeitsorganisation (Flexibilisierung von Arbeitszeiten, 4-Tage-Woche, das Auflassen von Kernzeitregeln, oder auch das Erproben von Table-Sharing) wie auch um die Entwicklung neuer Büroraumkonzepte. So werden etwa neue Verwaltungsgebäude großer deutscher Städte vermehrt im Hinblick auf die Schaffung offener und flexibler Bürokonzepte geplant (z.B. Bochum oder München).
Eine neue Herausforderung für die Arbeitgeber*innen ist, dass sich der Weg ins Büro lohnen muss. Als Mehrwert ist nicht nur ein schöner Schreibtisch, sondern die inspirierende Kommunikation/Kooperation mit Kolleg*innen, das vernetzte Arbeiten, das Leben zwischenmenschlicher Beziehungen und das Erleben einer positiven Unternehmenskultur definiert. Letztlich geht es bei New Work somit nicht nur um schicke neue Büros, sondern um einen grundlegenden Wandel der Arbeitsorganisation hin zu mehr Partizipation, mehr Selbstorganisation, zu Mixed Teams statt festen Strukturen, zu persönlicher und digitaler Kollaboration und am Ende zu mehr Sinnerleben in der Arbeit.
Employer Branding, Purpose und die eigenen Mitarbeiter*innen zu Markenbotschafter*innen machen
Auch wenn es im Alltag auf der Suche nach geeigneten Kandidat*innen nicht immer danach aussieht: Städte und Gemeinden haben als Arbeitgeber*innen einiges zu bieten,
um im Wettbewerb um Talente zu punkten. Auch wenn sie in aller Regel beim Gehalt nicht mit der Privatwirtschaft konkurrieren können, so zeigen sich auf anderen Gebieten klare Vorteile. Ein großer Mehrwert der Gemeinden ist dabei (neben den vielen Incentives oder der erlebbaren Familienfreundlichkeit) ihr Purpose, also ihr Daseinszweck und ihr besonderer Beitrag für die Gesellschaft. Ein Aspekt, der vor allem bei jüngeren Arbeitnehmer*innen bei der Auswahl eines Arbeitgebers von besonderer Bedeutung ist. Unter dem Label „Employer Branding“ arbeiten Kommunen daran, ein klares Bewusstsein für die eigenen Stärken und Potenziale zu schaffen und daraus eine eigene Markenstrategie zu entwickeln. Die Klärung des Purpose gehört hier genauso dazu, wie Recruitingprozesse professioneller auszugestalten (Stichwort: schneller, einfacher, digitaler), teure und in ihrer Wirksamkeit begrenzte Zeitungsannoncen zugunsten von neuen Kommunikationswegen und -kanälen zu ersetzen, um potenzielle Kandidat*innen persönlich ansprechen zu können. Im Werkstattdiskurs hat hier etwa das Thema „Mitarbeiter*innen zu Markenbotschafter*innen“ einer Stadt zu machen, viel Interesse geweckt.
Revolution am Arbeitsmarkt
Der mit dem Weggang der Baby-Boomer verbundene große Personalaustausch stellt für viele Kommunen eine große Herausforderung dar, weil in kurzer Zeit nicht nur viele Stellen neu zu besetzen sind, sondern auch, weil das über Jahre angesammelte Fachwissen der Mitarbeiter*innen für die nächste Generation gesichert werden muss. Gleichzeitig bietet dieser Veränderungsprozess aber auch Chancen für strukturelle Veränderungen beim Personal. So bietet sich nun die Möglichkeit, das Kompetenzprofil der Beschäftigten in den Kommunen neu und zukunftsorientiert auszurichten. Als wichtige Kompetenzen gelten derzeit Fähigkeiten, die für den weiteren und schnellen Ausbau der Digitalisierung aber auch der größeren Innovationsfähigkeit der Verwaltungen erforderlich sind. Das sind beispielsweise Fähigkeiten zur Kommunikation, Zusammenarbeit und zur Vernetzung, oder auch Fähigkeiten, digitale Inhalte zu erzeugen und sich im digitalen Umfeld zu bewegen.
Mit wem werden wir es konkret zu tun haben?
Bereits 2018 sind wir in einem Kooperationsprojekt mit dem Österreichischen Städtebund der Frage nachgegangen, wie sich die Anforderungen vor allem der jüngeren Generationen an das Arbeiten verändern. Viel ist seitdem darüber diskutiert worden, welche neuen (anderen) Maßstäbe die Menschen an ihre Arbeit anlegen. Aktuell scheint es, dass immer mehr Menschen ihre Lebens- aber auch Arbeitsprioritäten neu ausrichten und dabei ihre eigene Gesundheit und ihr Wohlbefinden über die Arbeit stellen.
Im Microsoft Work Trend Index 2022 werden etwa als wichtigste Gründe für Kündigungen angegeben:
- persönliches Wohlbefinden oder psychische Gesundheit,
- die unzureichende Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben,
- mangelndes Vertrauen in die Geschäftsführung sowie
- fehlende Flexibilität bei Arbeitszeit oder -ort;
Millionen von Menschen haben in letzter Zeit weltweit ihre Jobs „hingeschmissen“ und damit neue Begriffe wie „great resignation“ oder „the great reshuffle“ indiziert. Für das Personalmanagement könnte all das bedeuten, dass klassische 40-Stunden-Jobs immer mehr zu Ladenhütern werden, eine Aussicht auf eine Führungskarriere bei üngeren nicht als Chance, eher als Bedrohung ihres Lifestyles wahrgenommen und langfristige Arbeitsbeziehungen zu einem Minderheitenprogramm werden könnten. Der oben bereits genannte Generationendiskurs scheint keinesfalls abgeschlossen zu sein, sondern um zahlreiche Aspekte erweitert und jedenfalls aktueller den je zu sein. Gilt es doch neben den als problematisch erachteten Haltungen der jüngeren Generation auch und gerade die Potenziale dieser Generation zu erkennen und zu nutzen.
Wertschätzung statt Ressourcendenken!
Ausblick
Wurde die Welt zuletzt durch Pandemie und Krieg gehörig durcheinandergewirbelt, so gibt es abseits dieser globalen Krisen für die Städte und Gemeinden noch ausreichend
andere Herausforderungen. Ein wirkungsvolles Personalmanagement wird nach meiner Beobachtung immer mehr zur Voraussetzung, die Funktionsfähigkeit und Funktionssicherheit unserer Städte und Gemeinden dauerhaft sicherzustellen.
Mitarbeiter*innen allein als Ressource zu sehen, wird den aktuellen Anforderungen nicht gerecht. Die Persönlichkeitsentwicklung und -förderung der Mitarbeiter*innen ist eine wesentliche Erfolgskomponente. Die Mitarbeiter*innen sind unser wichtigstes Kapital – heute mehr denn je! Vor diesem Hintergrund ist der von uns etablierte gemeinsame und niederschwellige Praxisdialog in der Werkstatt Personal auch in Zukunft ein wichtiges Innovationslabor für neue Impulse im kommunalen Personalmanagement.
Sie interessieren sich für die Werkstatt Personal?
Dr. Klaus Wirth steht für Anfragen gerne zur Verfügung.