Der Begriff Nachhaltigkeit ist in der Mitte des gesellschaftlichen Diskurses angelangt. Während viele Menschen darunter primär Umweltschutz und Maßnahmen gegen den Klimawandel verstehen, wird Nachhaltigkeit unter Fachexpertinnen und Fachexperten sehr viel breiter gedacht. Ausschlaggebend dafür war unter anderem der Beschluss der Agenda 2030 für eine nachhaltige Welt im Jahr 2015. Die 17 Nachhaltigkeitsziele oder Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen wollen Nachhaltigkeit in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt erreichen. Ein ganzheitlicher Ansatz also.
Dieser Anspruch, verbunden mit einem wachsenden Bewusstsein für den Klimawandel und dessen Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft, erfordert zunehmend nachhaltige Praktiken bei Unternehmen und Gebietskörperschaften. Mit dem „Nachhaltigkeitsboom“ bedurfte es auch einer Konkretisierung des Nachhaltigkeitsbegriffes. Auf EU-Ebene hat die Europäische Kommission im Rahmen ihres „European Green Deals“ zwei wesentliche Verordnungen erlassen. Zum einen gibt es nun eine Richtlinie zur nicht finanziellen Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen, zum anderen eine EU-Taxonomie-Verordnung. Beides ist (noch) nicht für Gemeinden relevant, sehr wohl aber für kommunale Unternehmen, die eine bestimmte Größe aufweisen und kapitalmarktorientiert sind.
Die EU-Taxonomie
Die EU-Taxonomie ist ein Regelwerk, mit dessen Hilfe beurteilt werden kann, wann ein Wirtschaftszweig ökologisch nachhaltig ist. Die ökologische Taxonomie verfolgt konkret sechs Umweltziele, u. a. Klimaschutz, Übergang zur Kreislaufwirtschaft und Wiederherstellung von Biodiversität. Für verschiedene Wirtschaftszweige wurden damit technische Kriterien festgelegt, bei deren Erfüllung die Umsätze, Aufwendungen und Investitionen der Wirtschaftstätigkeit als „taxononomiekonform“ gelten. Dies jedoch nur, wenn kein anderes der sechs Umweltziele erheblich beeinträchtigt wird.
Unter den definierten Wirtschaftszweigen befinden sich auch Bereiche, die in der Kompetenz der Gemeinden liegen. Das sind zum Beispiel der Bau und die Sanierung von Gebäuden oder der Betrieb von Abwasseranlagen und Anlagen der Trinkwasserversorgung. Dementsprechend können sich Gemeinden hier orientieren, inwieweit ihre Vorhaben ökologisch
nachhaltig sind.
Die ESG-Kriterien
Aus der Investoren- und Bankenwelt ist ein Akronym hervorgegangen, das die nicht finanziellen Aspekte der Unternehmen zusammenfassen soll: ESG. Das „E“ steht für „Environment“ und umfasst Kriterien zum Schutz der Umwelt. Das „S“ steht für „Social“, mit Kriterien, die vor allem auf Arbeitsrechte, Arbeitsbedingungen und Menschenrechte in der Lieferkette achten. Und das „G“ steht für „Governance“, einer verantwortungsvollen Unternehmensführung. Governance zielt auf ethische Fragen der Führung, Korruptionsbekämpfung, Transparenz sowie Compliance (Regel- und Gesetzestreue) ab. Immer mehr Banken fordern von Kreditnehmerinnen und Kreditnehmern die Erfüllung dieser ESG-Kriterien, da auch Finanzdienstleisterinnen und Finanzdienstleister in die Pflicht genommen werden, in nachhaltige Wirtschaftszweige zu investieren und diese mit besseren Kreditkonditionen zu fördern. Allerdings sind die ESG-Kriterien bis dato noch nicht standardisiert, wodurch Anforderungen und Nachweise bei Finanzierungsinstitutionen variieren und unterschiedlich gehandhabt werden.
Aktuell gibt es keine gesetzliche Verpflichtung für Gemeinden, ESG-Kriterien oder die Anforderungen der EU-Taxonomie zu erfüllen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass mittelfristig auch Gemeinden bei Kreditansuchen und Förderanträgen davon betroffen sein werden. Können Gemeinden bereits heute „freiwillig“ diese Nachweise erbringen, erhöht sich der Verhandlungsspielraum für bessere Finanzierungskonditionen. Während sich die SDGs insbesondere für eine strategische Orientierung eignen oder sich mit dem Haushalt verknüpfen lassen (Stichwort SDG-Budgeting), werden ESG-Kriterien und die EU-Taxonomie, die ganz konkrete technische Indikatoren und Richtwerte definieren, im Rahmen von großen Projektplanungen mit Fremdfinanzierungsbedarf eine wesentliche Rolle spielen.
Hilfestellung für Gemeinden
Welche Unterstützungsleistungen bietet das KDZ für kommunales Nachhaltigkeitsmanagement?
An erster Stelle ist die Plattform Kommunale Nachhaltigkeit des Österreichischen Städtebundes zu nennen, die vom KDZ betreut und moderiert wird. Hier können sich Städte und Gemeinden zu Nachhaltigkeitsthemen austauschen, sich vernetzen sowie Tools und Praxisbeispiele finden.
Als Unterstützung für die Beantragung von Fremdmitteln für kommunale Vorhaben hat das KDZ im Auftrag der Bank Austria eine Nachhaltigkeitscheckliste konzipiert, die auf www.praxisplaner.at allen Gemeinden kostenlos zur Verfügung steht. Dieser Fragenkatalog zielt darauf ab, die eigenen Investitionsvorhaben anhand der oben genannten ESG- und Taxonomiekriterien einzuschätzen. Erste Beispiele betreffen unter anderem Gebäudebau/-sanierung, Abwasseranlagen und Trinkwasserversorgung. Im Video können Sie in einem Webinar die Anwendung der Nachhaltigkeitscheckliste kostenlos anschauen.
Zu guter Letzt weisen wir auf den etablierten SDG-Kommunalcheck für Investitionsvorhaben hin. Dies ist eine Methodik zur Planung von Projekten entlang der SDGs im Rahmen eines gemeinsamen Diskurses innerhalb der Gemeinde, aber auch unter Einbeziehung externer Stakeholder. Aktuell gibt es drei Musterchecklisten, die es ermöglichen, einen Kindergarten, die Gestaltung eines öffentliches Platzes sowie den Ankauf eines kommunalen Nutzfahrzeuges entsprechend auszurichten.